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Berlin: Riesen-Wirbel in Berlin

Xi Shun hat Schuhgröße 57. Mit einer Hand kann er ein DIN-A4-Blatt verdecken Und seine 2,36 Meter sind Weltrekord. Das reicht für eine Werbetour

Drei, zwei, eins, „pling!“, der Fahrstuhl ist im Erdgeschoss. Die silbernen Türen schieben sich einen Spalt auf, in die Hotellobby tritt Xi Shun, 54 Jahre alt. Er bückt sich, damit er mit dem Kopf nicht gegen den gut zwei Meter hohen Türbalken knallt. Die kleinen Halogen-Deckenlampen scheinen ihm direkt ins Gesicht.

„Guten Tag“, lässt Xi Shun über seinen Dolmetscher mitteilen. Er lächelt, kurz sieht man seine kleinen Zähne, dann schüttelt er die Hand mit seinen Pranken, die so groß sind wie DIN-A4-Blätter.

Gestatten, Xi Shun: Schuhgröße 57, geboren in der Mongolei, bis vor zwei Jahren noch Ziegenhirte in der chinesischen Provinz. Heute wird der Mann nur noch auf eines reduziert: Er ist der größte Mensch der Welt und ein Werbe-Gag für das neue Guinness-Buch der Rekorde. Xi Shuns Körpergröße: Exakt 2,36 Meter.

Im Hotel am U-Bahnhof Siemensdamm haben sie zwei Betten aneinandergeschoben, damit Xi Shun halbwegs schlafen kann. „Ich habe in Berlin einige Sehenswürdigkeiten gesehen“, übersetzt Xi Shuns Dolmetscher, „eine schöne Stadt, aber ihr habt viele Autos.“ Am Nachmittag wollte er den großen Van samt Chauffeur („Ich habe keinen Führerschein“) mal hinter sich lassen, um durch das Brandenburger Tor zu gehen. So einfach ist das nicht, denn die Knochen machen so ihre Probleme.

„Kalziummangel“, zischt der Dolmetscher, „deshalb sind seine Knochen weich“. Xi Shun bewegt sich so wackelig wie eine Marionette, er geht am Stock. Angeblich war er mit 16 Jahren nur 1,80 Meter groß, wuchs und wuchs, wurde Basketballspieler in der chinesischen Armee („Als ich 20 war, mit 2,20 Meter“), doch er wuchs weiter und weiter und blieb erst bei 2,36 Meter stehen. „Dabei sind meine Eltern gar nicht so groß“, erzählt er, sein Vater sei 1,80 Meter (dafür aber immerhin schon 94 Jahre alt). Ob Xi Shun gesund ist? Er sagt: Ja.

Xi Shun rasselt routiniert seine Antworten herunter („Lange Flüge sind besonders anstrengend“ – „Ich habe wenig Schuhe, es gibt ja keine für mich in den Läden“ – „Nein, ich wurde nie gehänselt“ – „Träume? Habe ich nicht“). Xi Shun gibt arg knappe Antworten, er gähnt. Und die Liebe? Xi Shun sagt, dass er schüchtern sei, dies langsam ablege, er aber noch keine Freundin hatte. Zu Hause wohne er allein auf 130 Quadratmetern. „Ich habe auch keine Haustiere“. Vor zwei Jahren hat ihn sein Manager entdeckt. Er hat dann vor einem Restaurant gestanden und die Leute begrüßt, er hat dafür ein bisschen Geld bekommen. Der Manager vermarktet ihn, er sitzt nur zwei Schritte im Hotel entfernt und hört ganz genau zu. Und wie ist es, nur auf die Körpergröße reduziert zu werden? Wie ein Zoo-Tier herumgereicht zu werden?

Auf einmal redet Xi Shun und gestikuliert – bis plötzlich der Manager aus dem Hintergrund lauthals dazwischenblafft. Da schweigt Xi Shun wieder und starrt auf den Boden. Der Dolmetscher übersetzt: „Mir gefällt die Arbeit.“

André Görke

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