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Rotlichtmilieu. In Augsburg werden die Bodenampeln bereits getestet.

© dpa/SWA

Risiko Handy im Straßenverkehr: Bodenampeln für Smartphone-Gucker? Berlin sieht weg

Lichter im Boden sollen Smartphone-Nutzer in Köln und Augsburg vor Straßenbahnen warnen. Berlin will das nur, wenn die BVG will. Die sagt, sie könne nicht.

Für die Passagiere ist die Straßenbahn im Stadtverkehr das sicherste Verkehrsmittel. Für Passanten gilt das nur eingeschränkt: Obwohl kaum etwas so berechenbar ist wie ein Schienenfahrzeug, verunglücken jedes Jahr in Berlin rund 30 Fußgänger, weil sie sich gegenüber der Tram falsch verhalten haben. Zwar gibt es keine Statistik, aber die Alltagserfahrung legt nahe, dass manche davon ihr Handy bedient haben – im schlimmsten Fall in Kombination mit Kopfhörern.

Mehrere Städte gehen das Problem mit neuer Technik an: In Köln werden seit etwa einem Jahr an drei stark frequentierten Haltestellen Bodenlichter getestet: Die LED-Leisten schalten sich ein, wenn eine Bahn naht, und strahlen ihr Licht im 60-Grad-Winkel ab, sodass selbst ein schwer beschäftigter Smartphone-Nutzer sie bemerken sollte. Je nach Erfahrung soll der Test ausgeweitet werden. Auch in Augsburg ist ein Pilotprojekt mit rot blinkenden Bodenlichtern geplant: Eine besondere Art von roter Ampel für jene, die von Fachleuten als „Generation head down“ bezeichnet werden.

Die Öffentliche Hand soll wieder mal für die Folgen massenhaften Fehlverhaltens eintreten? Wer durch die Stadt läuft, soll gefälligst sehen, wo er hintritt. Smartphone aus, Kopfhörer abnehmen!

schreibt NutzerIn a.fink

17 Fälle von verbotswidriger Handy-Nutzung

Wie gravierend das Problem ist, haben Verkehrspsychologen der Technischen Universität Braunschweig kürzlich ermittelt: Bei der Beobachtung von 12 000 vorbeifahrenden Autos in Berlin, Braunschweig und Hannover stellten sie fest, dass 4,5 Prozent der Autofahrer – also mehr als 500 der beobachteten – mit ihrem Smartphone beschäftigt waren, obwohl das bei laufendem Motor gar nicht in die Hand genommen werden darf. Das Phänomen betraf Frauen wie Männer und Jüngere stärker als Ältere. Der Fachverband FUSS e.V. veröffentlichte vor kurzem ein flammendes Plädoyer gegen die Handynutzung, das sich sowohl an Autofahrer als auch an Fußgänger beim Queren von Fahrbahnen richtete.

Smartphones gelten als Hauptgefahr für Ablenkung im Straßenverkehr - auch für Fußgänger.
Smartphones gelten als Hauptgefahr für Ablenkung im Straßenverkehr - auch für Fußgänger.

© imago stock&people

Während am Risiko kein Zweifel mehr besteht, ist die wissenschaftliche Datenbasis zum Smartphone-Gedaddel als Unfallursache bisher dünn. Die Berliner Polizei hat im vergangenen Jahr nur bei 17 Fällen verbotswidrige Handy-Nutzung als nachgewiesene Unfallursache erfasst, teilt aber mit, dass „die Dunkelziffer sehr groß sein dürfte“.

Das Verhältnis von Fußgängern und Tram scheint ein spezielles zu sein. Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer (UDV) leitet, berichtet vom Ergebnis einer neuen Studie: „Komischerweise sind Fußgänger auf Straßenbahnen nicht vorbereitet. Die offensichtliche Schiene führt offenbar nicht dazu, dass die Leute wirklich darauf achten.“ Zwar hätten die untersuchten Unfallorte stets auch über Infrastruktur verfügt, aber als zusätzliche Warnung hält Brockmann die Bodenlampen für sehr sinnvoll. Das gelte ausdrücklich für den Sonderfall von Fußgängerfurten, die Gleise queren, also nicht für Ampeln im Allgemeinen. Ansonsten seien die bei der BVG üblichen „Z-Gitter“, die die Blickrichtung querender Fußgänger in Richtung nahender Bahnen lenken, eine sinnvolle Lösung.

Die S-Bahn hatte schon mal Warnleuchten

Auch Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb plädiert für diese Gitter in Kombination mit „sauberer Signalisierung“ und regelmäßig erneuerten Markierungen. Das Problem, dass Passanten jede „Grundwachsamkeit für ihre Umgebung“ vermissen ließen, sei nicht durch Signale im Boden zu lösen. Statt für viel Geld die Marotte der „Smartoholics“ zu unterstützen, sollte lieber in Blindenleitstreifen für jene, die sie wirklich bräuchten, investiert werden, schließt Wieseke sein Plädoyer für „Kopf hoch und Augen auf“.

Dass die Technik Tücken hat, weiß die S-Bahn aus eigener Erfahrung: Längst sind die Leuchtleisten wieder abgeschaltet, die nach der Wende in einige Bahnsteige der Stadtbahntrasse eingelassen worden waren. Die Leisten, die vor einfahrenden Zügen warnten, seien störanfällig und entsprechend wartungsintensiv gewesen, teilt die Bahn mit.

Die BVG fühlt sich für mehr Sicherheit an ihren Straßenbahnstrecken durch Bodenampeln gar nicht erst zuständig: „Das kann nur das Land machen, dazu sind wir nicht befugt“, sagt Sprecherin Petra Reetz. Fürs Land teilt die Verkehrsverwaltung mit, man werde die BVG unterstützen, falls es dort entsprechende Überlegungen gebe. So ergibt sich die bekannte Berliner Mischung, die bis auf Weiteres gar nichts ergibt. Dabei heißt es in der Verwaltung, dass Bodenlampen „für besondere Situationen“ gut geeignet sein könnten – aber nicht als Regellösung. Eine andere Art solcher Lampen gibt es bereits: Wo Tramgleise die Straße verlassen, werden die Trassen neuerdings oft mit Lichtern markiert, weil immer wieder Autofahrer im Gleisbett landen.

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