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Berlin: Ritterorden: Ritter spielen ist nicht schwer, Ritter sein dagegen sehr

Ritterorden lassen sich heutzutage grob in drei Kategorien einteilen: die echten, die unechten und die fröhlichen. Wir beginnen mit den unechten.

Ritterorden lassen sich heutzutage grob in drei Kategorien einteilen: die echten, die unechten und die fröhlichen. Wir beginnen mit den unechten.

Der Orden "Cordon Bleu du Saint Esprit" hat zu Investitur neuer Ritter (Chevaliers) und Gräfinnen (Comtessen) in die Gedächtniskirche geladen. Allerlei Frackträger, mit Orden und Scherpen behängt, haben sich eingefunden. Die Komturen von Cordon Bleu - das sind die Chefs der Regionalgruppen - tragen schwarze Umhänge, an dessen linker Seite ein großes blaugelbes Kreuz mit einer Taube im Zentrum hervorstrahlt. Befreundete Freimaurer einer Johannisloge haben dazu kontrastierende weiße Umhänge mit preußischem Adleremblem umgehängt.

Die Herren sind meist jenseits der Pensionsgrenze. Man spricht über Osteuropa, Ostdeutschland und nationalhistorische Grundsatzfragen, um es vorsichtig auszudrücken. Die Touristen sind irritiert. Soviel Folklore zeigt sich selten außerhalb der fünften Jahreszeit. Sogar die Langen Kerls wurden dienstverpflichtet. Sie stehen Spalier und werden von der Frau Pfarrerin abkommandiert, Gesangbücher zu verteilen.

Der Gottesdienst ist traditionell und kühl. Kaum jemand singt mit. Auch das Abendmahl wird verschmäht. Endlich übernehmen die Ordensherren die Regie. Als prominentester Gast wird zuerst Ferdinand Fürst von Bismarck vor den Altar gerufen, um seine Ehrenmitgliedschaft anzutreten. Dazu legt er die Hand auf die Schwertklinge und gelobigt, stets Gutes zu tun und Ritterlichkeit zu üben.

Der Treueschwur ähnelt einem Eheversprechen und endet mit einem "Ja" des Prätendenten. Fürst von Bismarck will mit seiner Aufnahme vor allem dem Komtur von Berlin-Brandenburg, Walter Szeymies von der Mehden, eine Freude machen. Der hatte ihn nämlich drum gebeten. Irgendwelche Verpflichtungen ergeben sich nicht. So wurden auch Jörg Schönbohm, Innenminister von Brandenburg, Jimmy Carter, Ex-Präsident der USA, Prinz Hendrik von Dänemark, Gerhard Mayer-Vorfelder, Hans Filbinger, Gerhard Stoltenberg, Peter Ustinov und Anneliese Rothenberger Ritter des Blauen Bandes. Nach von Bismarck sind die Bürgerlichen an der Reihe. Sie werden in den vollen Ritterstand aufgenommen, müssen vor dem Großmeister niederknien, erhalten Schwertschläge auf die Schultern und das Ordenskreuz umgehängt. Komtur von Mehden legt ihnen noch einen samtenen Ordensmantel über die Schultern - symbolisch - und zieht das gute Stück gleich wieder ab. Den Mantel muss sich jeder selbst anschaffen.

Aufgenommen wird auch Silvia Axt, eine Werbemanagerin, und ein PR-Journalist, der lieber anonym bleiben möchte - man weiß ja nie, wie die Kundschaft reagiert. Zumal er in Reserve-Offiziersuniform erschienen ist, was das Protokoll ausdrücklich empfiehlt, und vor dem Altar anständig die Hacken zusammenknallt. In der Kirche des alten Kaisers Wilhelm mag das wohl angehen.

Die Werbedame ist im geschlitzten engen Rock erschienen und friert. Vor der Kirche hatte sie noch schnell eine Zigarette geraucht. Eine Stunde später ist sie schon Comtessa. 500 Mark kostet die seltene Würde, dazu 120 Mark Jahresbeitrag - wenig Geld für die Erhebung in den Adelsstand. Die Einführung in kontaktpflegerisch interessante Kreise sei auch ein Grund für ihre Mitgliedschaft, sagt Frau Axt, im Vordergrund stünden jedoch die caritativen Projekte des Ordens - besonders Krankenhäuser in Osteuropa werden unterstützt.

Der PR-Journalist weiß vom Orden eigentlich nur, dass dieser französisch ist und 1579 von König Heinrich III gestiftet wurde. 1831 verlosch die Tradition, 1969 wurde sie vom Gastronomen Karl Heinz Steger aus Landau wiederbelebt. Viel mehr gebe es auch gar nicht zu berichten, findet Komtur von der Mehden. Der Orden stünde allen Menschen offen und veranstalte gesellige Soirées. Ganz einfach. Der Komtur, ein Liebhaber kurzer Sätze, bittet noch, das Wort Soirée nicht wie üblich falsch zu schreiben. Flugingenieur sei er gewesen, nach dem Krieg nur noch Ingenieur, weil ersteres nicht mehr gefragt war, und im Memelland sei er aufgewachsen. "Aber da wissen Sie ja gar nicht, wo das liegt." Übrigens: Politik sei im Orden kein Thema.

Sowas wie Cordon Bleu nennt Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, einen "Gesellschaftsverein mit viel Brimborium", "spätmonarchistisch aufgeputzt" und "mehr oder weniger obskur". Besonders misstrauisch reagieren die echten, kirchlich anerkannten geistlichen Ritterorden der Johanniter und Malteser auf Cordon Bleu und eine Vielzahl ähnlicher Gründungen. Denn alle verwenden das Johannitersymbol des achtzackigen Kreuzes und irritieren damit die spendable Bevölkerung.

Der Johanniterorden ist der evangelische Zweig der Malteser, die einst auf Rhodos und später Malta einen Ordensstaat errichtet hatten, bis Napoleon sie aus dem Mittelmeer vertrieb. Die beiden Orden verweisen auf ihre historische Kontinuität als Krankenpfleger und Verteidiger des Glaubens seit der ersten Eroberung Jerusalems durch das Ritterheer des 1. Kreuzzuges im Jahr 1099. Traditionell gibt es eine enge Verbindung zum Militär. Viele Soldaten der Wehrmacht waren Malteser- oder Johanniter-Ritter. Bei der Bundeswehr wird die Verbindung ebenfalls gepflegt, allerdings mit abnehmender Tendenz. Das Generalsekretariat der Johanniter-Ordensritter wie auch die Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfallhilfe (JUH) sind in Berlin angesiedelt. In den Leitungsgremien der JUH sind auf allen Ebenen Ordensritter ehrenamtlich engagiert. Der Nachwuchs sei "handverlesen", erklärt ein Ordensmitglied, das anonym bleiben möchte. (Die öffentliche Namensnennung könnte intern als "Personenkult" missverstanden werden.) Aufnahmekriterien sind ein engagiert gelebtes Christentum und einwandfreier, finanziell unabhängiger Lebenswandel. Eheschließung und Familiengründung sind erwünscht.

Wer sich scheiden lässt, muss in der Regel auch den Orden verlassen. Bis 1948 war adlige Herkunft eine conditio sine qua non, seitdem zählt nur noch "adlige Gesinnung."

An der Spitze der 3500 Johanniter steht der Herrenmeister. Das Amt wird seit über 300 Jahren von einem Angehörigen des Hauses Preußen bekleidet, seit gut einem Jahr von Prinz Oskar von Preußen, Chef der privaten Fernsehgesellschaft "Discovery Channel". Auch bei den Johannitern werden laufend neue Ritter im Rahmen eines Gottesdienstes investiert - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die spaßigen Ritter von der Panke, genannt: die Pankgrafen, können dagegen gar nicht genug Öffentlichkeit bekommen. Leider würden die ritterlichen Verrichtungen des Vereins in Berlin von anderen Ereignissen überlagert, bedauert Hochmeister Olaf Gnaedig, der viele seiner Sätze mit einer warmherzigen Lachkanonade enden lässt. Deshalb fährt eine Hundertschaft Pankgrafen mindestens einmal im Jahr ins Grüne, um eine Vasallenstadt zu erobern. Dazu sind erforderlich: Stadtmauer oder Burghügel und ein Stadtschlüssel zur symbolischen Kapitulation. Schwarzpulver, Kanonenattrappen und Säbel bringen die Ritter mit. Die Schlacht endet zwangsläufig mit einem Sieg der Pankgrafen, die sich mit einer größeren Spende für wohltätige Zwecke revanchieren. Das ist widersinnig und damit pankgräflich, denn zu den Statuten zählt, immer das Gegenteil zu tun. Politik und Religion sind untersagt.

Die Pankgrafen so einfach als Karnevalsorden zu bezeichnen, verbittet sich Hochmeister Olaf Gnaedig. Der Orden gehe auf Urgraf Udo mit der gespaltenen Klaue zurück, der 1381 eine Burg an der Panke errichtete, daselbst einen Ritterorden gründete und noch im gleichen Jahr die aufsässigen Rehberger am Lausefenn vernichtend schlug. Heute treffen sich die Herren - Damen sind ausgeschlossen - in Zivil einmal die Woche im aufwändig dekorierten "Remter", der eigens angemieteten, zum Rittersaal ausgebauten Kneipe am Hohenzollerndamm. Dort wir dann volkstümliche Fröhlichkeit durchexerziert, mit selbstgetexteten Liedern, Zigarrenqualm und Bierschaum. Gegen 22 Uhr geht das Saallicht aus und wieder an, und der Hochmeister läutet "kraft seines Amtes" den neuen Tag ein und das Ende der Sitzung.

450 Mark kostet das Ritter-Sein im Jahr. Mit der Prominenz hapert es noch ein wenig. Demnächst soll beim Neu-Weddinger Norbert Blüm angefragt werden, ob er nicht willens sei, Pankgraf zu werden. Geheime Rituale, Sprechcodes mit doppeltem Boden, ritterliche Weltverschwörer? Nein, ganz harmlos, nur ein Spaßverein, lobt Gandow. Bei den Pankgrafen bleibt alles schön an der Oberfläche. Zum Beispiel am 25. November das jährliche Eisbeinessen im vollen Wams. Was da passiert? Gnaedig lacht gemütlich "Na, 550 Männer essen gemeinsam Eisbein."

Mit Ritterorden zu kommunizieren, ist nicht einfach. So geistert im Internet ein "Deutschherrenorden" herum - der Name verweist auf den Deutschen Orden, der im Mittelalter über Teilen des Baltikums und Ostpreußens herrschte, 1809 von Napoleon aufgelöst und 120 Jahre später in Wien als rein geistliche Gemeinschaft wiedergegründet wurde.

Der "Hochmeister und Prior" des "Souveränen Heiligen Ritterordens der Deutschen Herren zu Livland" ist nur über Handy oder E-Mail zu erreichen - für Gespräche sei leider keine Zeit. Fragen werden nur pauschal beantwortet: Zweck des Ordens ist die "die gesellschaftliche, religiöse und geschäftliche Förderung seiner Mitglieder." Das Ziel sind konkrete "Siedlungsprojekte in Livland." Man habe regen Zulauf, besonders in Ostdeutschland, so der Hochprior, der seinen Namen verschweigt. Mit rechten Revisionisten, überhaupt der Deutschen Nation, habe man gar nichts zu schaffen. Auch ein eigener Ordensstaat sei nicht geplant - "was ein absoluter Schwachsinn wäre".

Ritterorden waren zu ihrer Hochzeit - ähnlich wie später die Freimaurerlogen - hervorragende Karrierebeschleuniger und oft Voraussetzung für einen staatstragenden Posten. An der Spitze stand meist der Monarch selbst oder ein Mitglied der königlichen Familie. Auch heute kann die Kontaktpflege in gehobenen Kreisen geschäftliche Zinsen abwerfen. Viele Ritter sind deshalb gleich in mehreren Orden, Logen oder Klubs wie Rotarier oder Lions vertreten. Der Chef der Pankgrafen ist Mitglied bei Cordon Bleu und Komtur im Orden zum Hl. Georg, umgekehrt ist Cordon-Bleu-Komtur von der Mehden eingeschriebener Pankgraf. "Oben kommen alle Orden zusammen", sagt ein Freimaurer und lächelt wissend.

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