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Berlin: Rocker und Röcke

Wenn das Kaufhaus zum Catwalk wird: Das KaDeWe lud zur Modeshow nach Ladenschluss

Als wenn es etwas umsonst gäbe – so voll war es am Donnerstagabend im Kaufhaus des Westens. Dabei konnte man noch nicht einmal etwas kaufen. Dafür gab es ein paar deutsche Superlative zu feiern: Das größte Kaufhaus lud zusammen mit Hugo Boss, dem größten Modehersteller des Landes, zur Modenschau der Frühlingskollektion.

Für solche Ereignisse stehen seit einem Jahr das neu gestaltete Entree und der „Luxusboulevard“ im Erdgeschoss zur Verfügung: Kurz nach Ladenschluss ein paar gelbe Absperrbänder aufgestellt, das Licht gedimmt und voilà – fertig ist die Verwandlung vom Kaufhaus zum Catwalk. Statt der Verkäuferinnen hinter den Kosmetikständen bewachte nun eine unüberschaubare Zahl junger Menschen in grauen Overalls, hinten mit der Aufschrift „Ordnungsdienst“ versehen, die Waren. Einige von ihnen verteilten auch Wurstbrote und Champagner zum Runterspülen der Hausmannskost unter der Menge.

Die war gut durchmischt und ein echter Hoffnungsschimmer für das in letzter Zeit so oft totgesagte West-Berlin: Denn nicht nur Stammkundschaft und vom Boulevardfernsehen umlagerte Promis wie Schauspieler Sky Dumont wollten sehen, was sich Boss für dieses Frühjahr ausgedacht hat, sondern auch jede Menge Modevolk aus dem Ostteil. Für diesen Abend hätte man einen Bus chartern und mindestens die Hälfte der geladenen Gäste in Mitte und in Prenzlauer Berg abholen können. Aber junge Modedesigner, Modemessenveranstalter, Ladenbesitzer und PR- Leute schienen auch so ihren Weg nach Schöneberg gefunden zu haben. Damit sie sich gleich wie zu Hause fühlten, sang das Berliner Chansonquintett „Nylon“ vom „Frühling in der Schönhauser Allee“ – passend auch als Vorbereitung auf die Präsentation der aktuellen Frühjahrsmode, die folgte.

Drei Dutzend weibliche und männliche Models in schmalen Anzügen, die in ihrer Korrektheit oft an die fünfziger Jahre erinnerten, dazu leichte Trenchcoats, gestrickte Polohemden, fließende Seidenkleider mit über der Brust drapierten Oberteilen, das kleine Schwarze, in sittsamer Rocklänge bis zum Knie und transparente Blusen zu Stiftröcken – alles aus der Boss-Edel-Kollektion „Black“. Es war nicht zu übersehen: Im Mittelpunkt des Abends sollte nicht Chi-Chi, sondern das Tragbare stehen, das im Übrigen schon bald in den oberen Etagen des Kaufhauses auf insgesamt 700 Quadratmetern verkauft wird.

Dass danach die junge Linie „Boss Orange“ gezeigt wurde, konnten die Zuschauer zuerst riechen. Es stank nach Benzin und Abgasen: Die ostentativ ausgelassenen Models wurden auf alten Harley-Davidsons ins Foyer gefahren und tanzten dann in Jeans, Lederjacken und bedruckten T-Shirts an Lippenstiften und Parfümflacons vorbei. Bei so viel olivfarbener Lässigkeit scheint es, dass der Designer beim Entwerfen lauter Supermodels bei einem mehrwöchigen Aufenthalt im Dschungelcamp vor Augen hatte. Modisch endete der Abend dann ein wenig zu abrupt, direkt vor den Türen des KaDeWe: Ach, dachte man auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn, ein bisschen mehr Anzug, ein bisschen mehr Dschungel würde Berlin ganz gut tun.

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