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Roma-Familien: Bethanien bleibt Notunterkunft

Der Konflikt im Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz spitzt sich zu: Der Senat spricht von einer "verfahrenen Situation". Die Roma-Familien in Kreuzberg lehnen einen Umzug weiter ab.

Am Mittwoch haben Vertreter des Landesamts für Gesundheit und Soziales und des Bezirks erneut die Roma-Familien in Kreuzberg besucht, um die Frage nach ihrer Unterbringung zu klären. Sie wiederholten ihr Angebot, eine Unterkunft im Flüchtlingsheim an der Motardstraße in Spandau zur Verfügung zu stellen. Doch die rund 90 Roma haben abgelehnt, in einem Heim zu wohnen. „Wir stecken in einer verfahrenen Situation“, sagt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales, Anja Wollny, „denn eine Zwangsräumung steht nicht zur Debatte“.

Die Romafamilien hatten zunächst im Görlitzer Park übernachtet. Als sie vor einer Woche von der Polizei weggeschickt wurden, hatte ihnen eine Gruppe linker Kreuzberger im Bethanienhaus eine Notunterkunft angeboten. Sie haben Matratzen organisiert, Kochgeschirr und Kleidung zusammengetragen. Hin und wieder bringt die Berliner Tafel kostenloses Essen. Seither ist die Zahl der Roma von 50 auf mehr als 90 Personen gestiegen. „Das ist zwar keine Dauerlösung, aber wahrscheinlich hat sich herumgesprochen, dass es hier eine Unterkunft gibt“, vermutet eine Frau aus der Unterstützergruppe. Doch die renovierten Räume im Hochparterre des Bethanienhauses sind eigentlich als Ausweichquartier für eine Kita vorgesehen.

Ines Müller vom Quartiersmanagement in der Neuköllner High-Deck-Siedlung beobachtet das Geschehen in Kreuzberg mit großem Interesse. Sie kennt die Diskussion: In ihrem Viertel gab es im vergangenen Jahr auch Konflikte um vorübergehend einquartierte Romafamilien. Zumeist kommen sie bei ständig in Deutschland lebenden Verwandten unter. In den Sommermonaten wohnen dann bis zu 30 Menschen auf engstem Raum in den Wohnungen. Viele von ihnen seien nach Deutschland gekommen, weil sie in ihren Ländern verfolgt und diskriminiert werden. „Aber nicht alle sind Roma, manche sind einfach arme Menschen aus Südosteuropa“, sagt Müller.

Als EU-Bürger kommen jedes Jahr Tausende mit einem Touristenstatus aus Rumänien nach Deutschland, um durch Betteln oder Gelegenheitsjobs wie Autofensterputzen Geld zu verdienen. Laut Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) suchen die Roma in Berlin eine neue Heimat. Auch das zweite Angebot der Stadt, die Roma aus Kreuzberg in Einrichtungen verschiedener Bezirke unterzubringen, lehnten diese ab. Stattdessen forderten sie eigene Wohnungen. Bezirk und Senat müssen nun beraten, wie sie eine angemessene Lösung finden können. Die Situation sei schwierig, sagte Mildner-Spindler.

So wie jetzt in Kreuzberg hatten auch in Neukölln viele Anwohner Vorbehalte gegenüber Roma: „Wenn hier etwas wegkam, waren das angeblich immer die Roma“, sagt Müller. Sie rate da zur Vorsicht. „Einbrüche gab es schließlich auch vorher.“ Inzwischen sei die Lage im Kiez „deutlich besser“, sagt Müller. Im Quartiersmanagement gebe es nun einen Mitarbeiter mit Roma-Hintergrund, Aufklärungsveranstaltungen für Bewohner und zahlreiche Roma in den Vätergruppen. In „mühevoller Kleinarbeit“ sei man sich näher gekommen und habe Gemeinschaftsregeln erarbeitet. Auch Kerstin Schmiedeknecht vom Quartiersmanagement in der Schillerpromenade kennt die Probleme mit dem „Sommertourismus aus Rumänien“. In den vergangenen Jahren seien Familien vor allem bei Bekannten in der Okerstraße untergekommen. Dieses Jahr sei es deutlich leerer. „Vielleicht sind sie ins Bethanienhaus gezogen.“

Ferda Ataman

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