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Berlin: Rostalgie in West-Berlin

Die Bahn will die historischen Brücken an der Yorckstraße abreißen. Aber es gibt Widerstand. Ein Pro & Contra

Für die einen sind sie ein Symbol des Industriezeitalters und der Entwicklung Berlins zur Metropole, für andere sind sie schlicht ein Schandfleck: die Brücken der Bahn an der Yorckstraße zwischen Kreuzberg und Schöneberg. Die Bahn will fast alle der knapp 30 Bauwerke abreißen. Über die meisten fährt seit mehr als 50 Jahren kein Zug mehr; die Unterhaltung der für sie überflüssigen Brücken wird der Bahn zu teuer. Dagegen setzt sich die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck dafür ein, aus den verrotteten Anlagen ein „Open-Air-Bahnbrückenmuseum“ zu machen.

Für den Architekten Norbert Rheinlaender sind die Brücken Bestandteil der deutschen Eisenbahngeschichte. Hier fuhr 1838 die erste Eisenbahn Preußens von Berlin nach Potsdam, 1841 folgte die Anhalter Bahn Richtung Jüterbog. Die Gleise lagen noch ebenerdig, erst später wurden sie auf Dämme verlegt. Von 1883 an entstanden so nach und nach die so genannten Yorckbrücken.

Nördlich der Yorckstraße waren in kurzer Zeit riesige Anlagen für das neue Verkehrsmittel Eisenbahn entstanden; mit dem Potsdamer Bahnhof, dem Anhalter Bahnhof und dem Dresdner Bahnhof. Dazu gehörten umfangreiche Anlagen für den Güterverkehr und für die Unterhaltung der Lokomotiven. Deshalb waren an dieser Stelle so viele Brücken nebeneinander erforderlich.

Jetzt stehen hier Brücken in verschiedenen Konstruktionen; genietete und verschweißte. Unterschiedlich sind auch die jeweiligen Stützen ausgeführt, die heute zum Teil durch eine Betonummantelung verunstaltet sind. Der Betonklotz soll verhindern, dass die Stützen beim Aufprall eines Autos zusammenbrechen. Hier könne die Geschichte des Stahl-Brückenbaus auf 600 Meter Länge nachvollzogen werden, schwärmt Architekt Norbert Rheinlaender.

Die Bahn dagegen betrachtet die Bauwerke als für sie nutzlose Kostenverursacher. Sie muss die Brücken verkehrssicher unterhalten. Allerdings unternimmt sie dafür seit Jahrzehnten nur das Allernotwendigste. Die meisten Bauwerke sind inzwischen fast verrottet; den letzten Rostschutzauftrag gab es laut Aufschrift 1934. Das Schmuckgeländer einer Brücke hat die Bahn jetzt abmontiert, weil es nicht mehr sicher gewesen sei. Es sei aber eingelagert und nicht vernichtet worden, sagte ein Bahnsprecher. Und wer zu Fuß oder auf dem Fahrrad unter den Brücken unterwegs ist, muss damit rechnen, Taubenkot abzubekommen.

Noch ist der Abriss aber nicht beschlossen. Erschwerend kommt für die Bahn hinzu, dass die Brücken unter Denkmalschutz stehen. Der Landesdenkmalrat hat durchblicken lassen, dass er die Brücken weiterhin für erhaltenswert hält. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist auch dieser Ansicht. Über die Sanierungskosten der Brücken herrscht weitgehend Unklarheit. Die Brückenfreunde rechnen aber optimistisch mit einem Betrag, der noch unter 100 000 Euro liegen könnte.

Die Bahn und die Stadtentwicklungsverwaltung wollen bis zum Herbst die technischen, finanziellen und rechtlichen Fragen für eine Erhaltung der Brücken klären. Sie sollen für Fußgänger und Radfahrer, aber auch für Wildtiere eine Verbindung zwischen den Grünflächen herstellen, die auf beiden Seiten der Yorckstraße entstehen, erklärte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg JungeReyer (SPD) auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Uwe LehmannBrauns. Für ihn sind die Brücken ein West-Berliner Wahrzeichen, das nun verschwinden solle – wie der Bahnhof Zoo als Fernbahnhof oder die Boulevard-Bühnen am Kurfürstendamm.

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