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Rot-grüner Kompromiss: Die Anwohner glauben erstmal keinem

Kommt sie oder kommt sie nicht? Wie Anwohner am Treptower Park und in Friedrichshain auf den von SPD und Grüne geschlossenen Kompromiss zur A 100 reagieren.

So ganz will es Yannic Herrmannsdörfer nicht glauben. Dass die A 100 doch nicht weiter gebaut werden könnte, wie die Grünen-Führung am Montag den Kompromiss mit der SPD zu verkaufen versuchte. Dass Herrmannsdörfer wohnen bleiben könnte in der Beermannstraße 16 am Treptower Park. Denn dort, zwischen Elsenstraße und S-Bahnbrücke, würde das in Neukölln beginnende Autobahnteilstück enden. Herrmannsdörfer und die anderen Familien in den letzten drei Häusern müssten mitsamt den angrenzenden Kleingärten der Autobahn weichen. „Das ist echt schwer einzuschätzen, ob die wirklich nicht gebaut wird. Wowereit will sie doch“, sagt der 34-jährige Tontechniker. Seit Jahren lebt er mit der Ungewissheit, ob und wann ihn die A 100 zum Umzug zwingt. „Spannende und turbulente Zeiten“ seien das gewesen. Würde die Autobahn doch kommen, will Herrmannsdörfer nicht am Treptower Park bleiben. Die Lebensqualität ginge dann in Lärm und Abgasen unter, fürchtet er.

Erika und Herbert Gutwirt, 70 und 69 Jahre alt, wohnen im selben Haus. „Seit 1945“, sagen sie, „und weg gehen wir hier nicht.“ Beide demonstrierten gegen die A 100, sammelten Unterschriften dagegen, legten im vergangenen Jahr faules Obst vors Rote Rathaus. Die rot-grüne Einigung ist für sie ein Anlass zur Freude. „Wir sind davon überzeugt, dass die A 100 nicht kommt“, sagen sie. Deshalb hätten sie vor zehn Tagen auch Grün gewählt.

Tischler Stefan, 32, wohnt ein paar Häuser westlich der Gutwirts und stimmt in den Jubel der Gegner nicht ein. Er ist für die Autobahn. Dass gebaut wird, glaubt er dennoch nicht. „Zu teuer und zu aufwendig“, sagt er. Wegziehen käme selbst mit Autobahn nicht infrage. „Dazu ist es hier zu preiswert“, sagt Stefan. Auch Nachbar Mario, 36, spricht sich für die Verlängerung der A 100 aus. Dennoch würde er wegziehen, wenn sie gebaut würde, sagt er. „Die Häuser an der Stadtautobahn sind ja alle schwarz vor Dreck“, sagt ein anderer Anwohner. Dem rot-grünen Kompromiss, das Geld für die A 100 möglichst in andere Infrastrukturvorhaben zu stecken, traut er nicht.

Jenseits der S-Bahngleise freut sich Studentin Adrienne über die Vereinbarung. „Das wäre auch toll für den Park und die ganzen Tiere dort“, sagt die 24-Jährige, die schon ihr ganzes Leben in der Puderstraße lebt. Dass das Nein zur A 100 allerdings von Dauer ist, glaubt sie nicht. „Irgendwann bauen die. Ich glaube nicht, dass es jemandem hier um Nächstenliebe und Umweltschutz geht.“ Skepsis auch am Friedrichshainer Spreeufer, wo Anwohner eine massive Zunahme des Autoverkehrs befürchten. „Wenn nicht jetzt, dann wird die Autobahn halt später gebaut“, sagt eine Frau resigniert.

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