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Berlin: Rot-Rot erwartet ein teures Urteil

Bundesverwaltungsgericht entscheidet heute, ob Lehrer zu Teilzeitbeamten ernannt werden durften

Potsdam - Dem Land Brandenburg droht fernab der Oder ein Dammbruch – beim Landeshaushalt: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig will am heutigen Donnerstag ein Grundsatzurteil verkünden, ob die zwischen 1998 und 2004 praktizierte Ernennung von rund 8000 Lehrern zu „Teilzeitbeamten“ – es betrifft jeden dritten Pädagogen des Landes – rechtmäßig war und damit Bestand hat. Sollte das nicht der Fall sein, hat Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) zwar Betroffenen bereits die erneute Verbeamtung zugesichert. Doch strittig ist, ob für die Zwischenzeit das Land rückwirkend Sozialbeiträge von rund 200 Millionen Euro nachzahlen müsste. Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp hielt dies am Mittwoch zwar für unwahrscheinlich. „Wir gehen davon aus, dass es gelungen ist, den Schaden zu begrenzen, dass es nicht mehr um alle, sondern nur noch um 150 bis 200 klagende Lehrer geht“, sagte Jungkamp dem Tagesspiegel. Doch auch er wollte keine Prognose wagen. „Ich bin gespannt.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon einmal in einem spektakulären Urteil eine Praxis des Landes – nämlich bei der „sittenwidrigen“ Landnahme tausender Bodenreform-Grundstücke – als rechtswidrig verurteilt. Und die märkischen Verwaltungsgerichte bis zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilten in den vorherigen Instanzen fast durchgängig, dass die Teilzeitbeamten keine Beamten sind. In Hessen, Thüringen und Niedersachsen hatten Verfassungsgerichte die auch dort praktizierte Teilzeitverbeamtung schon vor Jahren als verfassungswidrig gestoppt.

In Brandenburg begann alles unter dem damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) 1998/1999 – nach 2002 nahtlos fortgeführt unter Regierungschef Matthias Platzeck – mit Einsparungen. Brandenburg erfand die „Teilzeitverbeamtung“, um jährlich rund 100 Millionen Euro Sozialabgaben zu sparen. Um keine Lehrer entlassen zu müssen, waren zuvor in den 90er Jahren die angestellten Pädagogen alle zu Zwangsteilzeit verpflichtet worden – davon wollte das Land nicht abrücken. So stand in den Ernennungsurkunden, dass der Lehrer in ein „Beamtenverhältnis auf Probe“ ernannt wurde – mit der Einschränkung „in Teilzeitbeschäftigung bei einem Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit“. Warnungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor der Rechtswidrigkeit, gestützt auf ein Gutachten der Verwaltungshochschule Speyer, wurden ignoriert.

Aber selbst wenn das Bundesgericht die Verbeamtung nicht antastet, wäre das Land noch nicht aus dem Schneider. In einem weiteren Urteil will das höchste deutsche Verwaltungsgericht am 17. Juni entscheiden, ob Betroffenen – die damals nicht Vollzeit arbeiten durften – der Verdienstausfall erstattet werden muss. Mindestens die klagenden Lehrer, das Ministerium schätzt ihre Zahl auf 200, von „500 aktiven Klägern“ spricht hingegen die GEW, könnten dann mit saftigen Nachzahlungen von jeweils 20 000 bis 30 000 Euro rechnen. Auch dies wären Millionenbelastungen für den Haushalt, für den nach den neuesten Schätzungen bis 2013 bereits Steuerausfälle in Höhe von 355 Millionen Euro zu erwarten sind.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die gerade einen umfangreichen Forderungskatalog zu einer Erhöhung der Bildungsausgaben aufgemacht hat, käme bei solch einem Urteil in Erklärungsnöte: Jeder Lehrer, egal was auf der Ernennungsurkunde steht, kann seit 2008 voll arbeiten und verdienen. Die Nachzahlungen betreffen nur die Vergangenheit. „Ich weiß nicht, ob es dem Ansehen der Lehrerschaft dienlich ist“, sagt Staatssekretär Burkhard Jungkamp, „wenn man nachträglich nicht geleistete Arbeit vergütet.“

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