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Rot-Schwarz in Berlin: In der Bildungspolitik gibt es viel Stoff für Zoff

SPD und CDU werden das zweigliedrige Schulsystem in den Koalitionsverhandlungen nicht antasten. Streit könnte es jedoch um die Gymnasien und den verpflichtenden Ethik-Unterricht geben.

Bei den Koalitionsgesprächen von SPD und CDU wird der Bildung ab Mittwoch eine Schlüsselrolle zukommen. Dabei wird es auch darum gehen, welche der beiden Parteien künftig das Bildungsressort besetzt. Aufseiten der CDU werden Monika Grütters und Thomas Heilmann als mögliche Nachfolger von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gehandelt.

Mit Kommentaren halten sich derzeit allerdings alle Betroffenen zurück. Selbst der Landeselternausschuss verweigerte am Freitag eine Stellungnahme zu den eventuell strittigen Punkten. Offen ist auch, ob das Ressort für Bildung, Jugend, Familie, Wissenschaft und Forschung als derart großes Ressort bestehen bleibt – oder – dahingehend gibt es zumindest Überlegungen –, ob die Ressorts Schule und Hochschule wieder auf zwei Senatoren verteilt werden. Fest steht bereits jetzt, dass es bei CDU und SPD in mehreren Bereichen zu Differenzen kommen dürfte – in deutlich mehr Punkten, als es bei Sozialdemokraten und Grünen der Fall gewesen wäre. Als die beiden schwerwiegendsten Streitpunkte gelten der Stellenwert der Gymnasien mit grundständigen Klassen und der verpflichtende Ethik-Unterricht.

GYMNASIEN

Die Gymnasien stärken – das ist seit Jahren eines der großen Themen der CDU. Im Wahlprogramm heißt es, Gymnasien würden in Berlin „systematisch benachteiligt“. Die Lehrerausstattung sei in fast allen Bezirken unterdurchschnittlich, die Klassen seien größer als an den Sekundarschulen. Die Partei wird also voraussichtlich mehr Lehrer und Sozialpädagogen sowie kleinere Klassen fordern, möglicherweise auch mehr grundständige Züge, die bereits ab Klasse fünf etwa mit Latein beginnen. Die SPD hält die Ausstattung der Gymnasien jedoch für angemessen. Seit langem ist sich die Partei darüber einig, die grundständigen Gymnasien nicht weiter auszubauen, weil das die sechsjährige Grundschule schwächen würde.

VERPFLICHTENDER ETHIK-UNTERRICHT

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Chef Michael Müller haben bereits verkündet, vom verpflichtenden Ethik-Unterricht nicht abrücken zu wollen. Seit Jahren jedoch kämpft die CDU für Religion als Wahlpflichtfach, gleichberechtigt mit Ethik. Schon unter Diepgen konnte sie diese Forderung zwar nicht durchsetzen – und mittlerweile ist auch noch die Volksabstimmung „Pro Reli“ gescheitert, für die sich etwa CDU-Chef Frank Henkel starkgemacht hatte. Die Klientel der CDU wird jedoch erwarten, dass sich die Partei für diesen Punkt einsetzt – weshalb es gut sein kann, dass dieses Fass wieder aufgemacht wird.

JAHRGANGSÜBERGREIFENDES LERNEN

Mit Beginn des Schuljahrs 2005/2006 wurde an allen Grundschulen das jahrgangsübergreifende Lernen eingeführt, in dem mindestens die ersten und zweiten Klassen gemeinsam lernen. Der CDU war JüL von Anfang an ein Dorn im Auge: „Das ist ein großer bildungspolitischer Irrtum“, sagte Henkel kürzlich. Da sich auch verschiedene Brennpunktschulen vehement gegen JüL ausgesprochen hatten, wird es nun ab kommendem Jahr freigestellt, sofern die Schulen überzeugende Gründe und eine alternatives Konzept vorlegen. Die CDU könnte dieses System noch weiter lockern wollen. Im Wahlprogramm steht: „Die Pflicht zum jahrgangsübergreifenden Lernen muss abgeschafft werden.“ Viel Stoff zum Streit gibt dieses Thema jedoch nicht mehr her.

GEMEINSCHAFTSSCHULE

Anders sieht es beim Schulversuch der Gemeinschaftsschulen aus. Die Schulform war 2008 als Pilotversuch eingerichtet worden, mittlerweile nehmen mehr als 20 Schulen daran teil. Die CDU wetterte von vorneherein dagegen: Es gebe keine „Einheitskinder, also brauchen wir auch keine Einheitsschule“, sagte Henkel. Zwar hatten sich die Gemüter in der CDU im vergangenen Jahr etwas beruhigt, was das Thema anging – in Reinickendorf allerdings verhinderte die CDU-Bildungsstadträtin sogar gegen den Elternwillen eine neue Schulgründung. Die  SPD steht klar hinter der Schulform: „Mit uns werden die Gemeinschaftsschulen nicht abgeschafft“, sagte Sandra Scheeres. Auf der Website der Senatsverwaltung heißt es sogar, das Modell werde weiter ausgebaut.

SEKUNDARSCHULEN

Die Abschaffung der Hauptschulen und die Gründung der ganztägigen Sekundarschulen als große Reform der vergangenen Jahre ist breit akzeptiert – auch die CDU wird nicht zum dreigliedrigen System zurückkehren wollen. Im Wahlprogramm zeigt sich die Partei an dieser Stelle entsprechend zahm: Den Sekundarschulen fehle „ein klares Profil“, heißt es da nur. Im Sinne der bundespolitischen Linie der CDU, an bereits eingeführten Zwei-Säulen-Systemen nicht zu rütteln, werde hier wohl stillgehalten, vermutet auch die GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt. Wowereit und Müller hatten bereits klargemacht, bei diesem Thema nicht verhandlungsbereit zu sein.

LOSVERFAHREN

Einzelne Punkte der Reform bieten jedoch nach wie vor Stoff zum Krach: Wie etwa das Verfahren, nach dem 30 Prozent der übernachgefragten Plätze an Oberschulen verlost werden. Obwohl die erwartete Klageflut ausblieb, müsse dieses Verfahren, fordern die Christdemokraten, „sofort beendet“ werden. Das System bedeute Willkür, die Schulen müssten selbst auswählen und dabei auch die Geschwisterregelung berücksichtigen, die Schulen und Bezirke nicht wollten. Aufseiten der SPD hieß es, das Verfahren sei dazu da, Kindern aus benachteiligten Familien bessere Chancen einzuräumen. Es gebe gerade „ keine Diskussion“ darüber, das Losverfahren wieder abzuschaffen.

GEBÜHRENFREIE KITAS

Klargemacht hat die SPD bereits, dass sie an der gebührenfreien Kita festhalten wird. „Bildung darf von der Kita bis zur Hochschule nichts kosten“, sagte Sandra Scheeres. Der CDU war zwar ursprünglich wenig daran gelegen, den Eltern die Kitagebühren zu erlassen. Weil das Modell aber mittlerweile breit akzeptiert ist, wäre es unpopulär, daran zu rütteln.

Patricia Hecht

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