zum Hauptinhalt
Rupert Scholz, 79, ist Staats- und Verfassungsrechtler und Mitautor des führenden deutschen Grundgesetzkommentars. Er lebt in Berlin.

© IMAGO

Rupert Scholz über Berliner Verwaltungschaos: "Zur Not kommt ein Staatskommissar"

Bis zu den Wahlen im September sind noch viele Probleme zu beheben, um ordnungsgemäße Wahlen abzuhalten. Verfassungsrechtler Rupert Scholz spricht über die Möglichkeiten, wenn Berlin die Probleme nicht in den Griff bekommt.

Herr Scholz, was könnte man mit Berlin tun, wenn das Land nicht in der Lage ist, ordnungsgemäße Wahlen abzuhalten?
Nach Artikel 54 der Berliner Verfassung muss eine Wahl zum Abgeordnetenhaus frühestens 56 Monate und spätestens 59 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode stattfinden. Es könnte ja sein, dass die die nötigen Reparaturen der Wählerlisten noch hinkriegen. Nach Paragraph 20 Wahlgesetz kann der Landeswahlleiter auch eine Nachwahl innerhalb von drei Wochen ansetzen, wenn nur einzelne Stimmbezirke betroffen sind.

Was wäre denn noch möglich?
An sich endet die Wahlperiode eines Abgeordnetenhauses mit der Wahl des neuen. Streitig ist aber, ob die Wahlperiode nicht erst mit der Konstituierung des neuen Abgeordnetenhauses beginnt, ob also das alte nicht bis dahin im Amt bleiben kann. Das ist die überwiegende Meinung. Das gilt auch für die Amtszeit des Senats. Auch der bleibt im Amt, bis ein neuer gewählt ist. Zusammengefasst heißt das: Die haben Spielraum. Es gibt sogar eine lange zurückliegende Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, die besagt, dass in einer besonderen Not- oder Zwangslage das Abgeordnetenhaus sogar die eigene Wahlperiode verlängern darf. Das ist eine Entscheidung von 1958, ob man das auf heute anwenden kann, da habe ich meine Zweifel.

Kann der Bund helfen, wenn das Land Berlin sich als nicht in der Lage erweist, die Wahlen durchzuführen?
In Artikel 37 Grundgesetz heißt es: Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen und das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten. Es ist die Frage, ob das hier auch gelten würde. Ich würde das bejahen, denn nach Artikel 28 des Grundgesetzes sind die Länder zur parlamentarischen Demokratie verpflichtet. Das ist die ultima ratio.

Muss man sich das wie eine Art von Staatskommissar vorstellen?
Da ist vieles möglich. Das kann auch in eine Kommissarrolle hineingehen.

Aber der Senat bliebe im Amt?
Der kann weitermachen, da gibt es keine Befristung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false