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Russland-Wahl: Präsidentenwahl Unter den Linden

Mehrere tausend Russen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gaben gestern in der Botschaft ihre Stimme ab. Um sicherzustellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht, schickte eine Partei eigens einen Wahlbeobachter in die Botschaft.

Die Kamera ist immer dabei. Die russischen Wähler, die am Sonntagnachmittag in der Botschaft ihre Stimme für den Nachfolger von Präsident Putin abgeben, halten jeden Schritt mit dem Fotoapparat fest: Wie die Botschaftsmitarbeiter ihnen an zwei langen Tischen die Wahlunterlagen übergeben, wie sie in eine der drei hölzernen Wahlkabinen gehen – die viele gar nicht schließen, während sie ihr Kreuzchen für einen der vier Kandidaten machen. Und wie sie schließlich ihre Wahlzettel in eine der drei Holzurnen werfen, hinter denen die weiß-blau-rot gestreifte Flagge der russischen Föderation steht.

Frank Temme – russischer Staatsbürger trotz seines deutsch klingenden Namens – knipst, wie seine Frau Viktoria, die eine schwarze Paillettenmütze trägt, ihren Umschlag einwirft. „So eine Wahl ist ja schon etwas besonderes“, sagt Frank Temme. Das Ehepaar hat für Dmitri Medwedew gestimmt, den viele für eine Marionette des scheidenen Präsidenten Putin halten. „Wir haben unseren eigenen Kopf“, sagt Temme. Unter Putin habe sich die wirtschaftliche Situation in Russland stark verbessert. Und er wünsche sich, dass das so bleibt.

Insgesamt ist die russische Botschaft Unter den Linden für die 53 000 russischen Staatsbürger zuständig, die in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern leben. Bis 16 Uhr haben 2000 Russen hier ihre Stimme abgegeben. Bis zum Abend werden es 2350 sein. Und am Ende wird Dmitri Medwedew klar vorne liegen, 1833 Stimmen gehen an ihn.

Am Nachmittag ist Botschaftssprecher Swjatoslaw Kutschko aber erstmal wichtig, dass die Wahl demokratischen Standards genügt. „Selbstverständlich geht alles mit rechten Dingen zu“, sagt er. Die „Demokratische Partei“ des Kandidaten Andrej Bogdanow hat trotzdem von ihrem Recht Gebrauch gemacht, einen Wahlbeobachter in die Botschaft zu schicken. Der Herr aus Steglitz hat seinen eigenen Tisch und die Wahlen den Vormittag über beobachtet. Gerade ist er in der Mittagspause. „Wir erwarten ihn am späten Nachmittag zurück, und er wird auch bei der Auszählung der Stimmen dabei sein“, sagt Botschaftssprecher Kutschko.

Im Treppenhaus zücken zwei Studentinnen ihre Digitalkameras. Ihren Namen will keine von beiden verraten, ihre Wahlentscheidung schon. „Ich habe für Wladimir Schirinowski gestimmt“, sagt die eine. Der sei zwar etwas cholerisch, aber auch ziemlich clever, und nicht so blass wie Putin oder Medwedew. Auch die zweite Studentin hat nicht den Favoriten gewählt, sondern Andrej Bogdanow. Vor der Botschaft zieht der 21-jährige Wirtschaftsstudent Daniiel an seiner Zigarette. Wenn er die aufgeraucht hat, will er hineingehen, allerdings nicht, um zu wählen: „Ich hole mir meinen Wahlzettel ab und nehme ihn mit nach Hause. Zur Erinnerung an die undemokratischste Wahl aller Zeiten.“Rita Nikolow

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