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Druschba. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und der Moskauer Oberbürgermeister

© dpa

Russlandreise: Michael Müller im Kreml

Was Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller in Moskau erlebt: Er verzichtet auf den Zarenthron und staunt über 150.000 Videokameras.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wladimir Putin war gerade nicht da, trotzdem war der Besuch des Kremlpalastes, in dem auch die heutigen Zaren residieren, für Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller am Dienstag ein beeindruckender Start in den zweiten Tag seiner Moskaureise. Zwei Monate Vorlauf hat es gebraucht, um die Führung durch das Dienstgebäude des russischen Präsidenten zu organisieren.

Im prächtigen Andreassaal druckste Müller etwas herum, als er spaßeshalber gefragt wurde, ob er sich nicht auf den Zarenthron am Kopfende des Saals setzen wolle. Die charmante russische Begleiterin half ihm aus der Patsche: „Es bringt nicht unbedingt Glück, auf dem Thron zu sitzen.“ Obwohl – links und rechts wäre noch Platz für die Mitherrscher Klaus Lederer und Ramona Pop gewesen. Aber die waren nicht mitgereist.

Moskau ist unverkennbar eine Stadt, in der geklotzt und nicht gekleckert wird. Bei der anschließenden Visite in der Verkehrsleitzentrale der russischen Hauptstadt lernte Berlins Regierungschef, dass in Moskau 150 000 Videokameras wohl nicht nur den Auto- und öffentlichen Nahverkehr überwachen. Sogar Unfälle und Verkehrsverstöße werden live registriert, und Müller durfte mit einer Virtual-Reality-Maske einen Hubschrauberflug über Moskau simulieren. Diese Verkehrsleitzentrale beherbergt das zweitgrößte Rechenzentrum der Metropole. Die Kollegen in Berlin wären auf die technische Ausstattung wohl neidisch. Aber diese Fülle an Kameras, gab Müller anschließend zu bedenken, sei „bei uns weder möglich noch wünschenswert“.

Andere Herausforderungen als Berlin

Auch die Fahrt auf dem neuen, dritten S-Bahn-Ring der russischen Metropole ließ den SPD-Politiker staunen. Der städtische Verkehrsminister Maksim Liksutov lud die Gäste stolz auf eine Fahrt mit den neuesten S-Bahn-Zügen ein, die sogar über Toiletten und W-Lan verfügen. Die Stadt mit über zwölf Millionen Einwohnern, die jährlich um 150 000 Menschen wächst, würde ohne ein gigantisches Ausbauprogramm der öffentlichen Verkehrsmittel untergehen. Das Geld dafür ist da, die Unterstützung Putins auch, und die Planfeststellung dauert offenkundig nicht so lange wie in Berlin.

Den unmittelbaren Vergleich mit Berlin wollte Müller aber nicht gelten lassen. „Eine Zwölf-Millionen-Stadt steht doch vor ganz anderen Herausforderungen als wir.“ Außerdem könne sich Berlin finanziell keine neuen U-Bahn-Linien leisten. Die eine oder andere Verlängerung vielleicht. Er sieht die Lösung in neuen Straßenbahnlinien – und ist damit voll auf rot-rot-grünem Kurs.

„Ich hoffe sehr, dass er kommt“

Zum Vergleich: Moskau baut gerade einen neuen Stadtteil für 1,5 Millionen Menschen, dafür wurde die Stadtfläche mehr als verdoppelt, und in Vorbereitung auf die Fußball-WM 2018 wurden in den vergangenen drei Jahren umgerechnet 27,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Verkehrsmittel und -linien gesteckt. Bis 2020 werden 134 Kilometer neue U-Bahn-Strecken und 70 neue Stationen gebaut. Bis 2030 soll das Parken im gesamten Stadtgebiet gebührenpflichtig werden.

Die Frage ist also: Wer lernt von wem – bei der partnerschaftlichen Zusammenarbeit beider Hauptstädte? Immerhin scheint es so zu sein, dass die Moskauer Stadtregierung nicht nur an der Unterzeichnung von Memoranden interessiert ist, sondern auch an konkreter Kooperation. So bat der Oberbürgermeister Sergej Sobjanin den Kollegen Müller am Mittwochabend überraschend zu einem Vieraugengespräch. Müller wertete dies als Zeichen echten Interesses und will die Einladung an Sobjanin nach Berlin wiederholen. „Ich hoffe sehr, dass er kommt.“

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