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Berlin: S-Bahn bittet um Hilfe

Zerkratzte Scheiben, besprühte Züge – Kampagne soll Fahrgäste mobilisieren

Die Plakate hängen in den Bahnhöfen und den Zügen der S-Bahn, mit der Zehntausende Tag für Tag durch Berlin fahren. „Bis zu 600 Euro Belohnung“ verspricht die S-Bahn Fahrgästen für Hinweise, die zur Ergreifung eines Sprühers oder Vandalen führen. Doch zum Telefon greifen nur wenige: „33 Hinweise waren im Jahr 2005 erfolgreich“, sagt die Sicherheitschefin der S-Bahn, Ellen Karau. Im Vorjahr waren es auch nur 49.

Doch die S-Bahn will den jährlichen Schaden von fünf Millionen Euro nicht einfach hinnehmen. Mit 150 Plakaten, von denen gestern das erste am Ostbahnhof geklebt wurde, sollen die Berliner nun stärker sensibilisiert und in die Pflicht genommen werden. „Kaputtmachen tut weh!“, so der Slogan. Darunter ist ein nackter Fuß zu sehen, der in Glasscherben tritt.

Vor allem die Zahl der Glasschäden ist gestiegen – um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und liegt nun bei 35 Prozent der Gesamtschäden. Vor allem das sogenannte Scratching – das Hineinritzen von Buchstaben mittels eines kleinen Kratzsteins – lässt sich schwer unterbinden. „Auch Schutzfolien bringen bislang nicht den gewünschten Erfolg“, sagt Karau. „Es werden Folien abgerissen und auf die Scheibe darunter gekratzt. Da walten rohe Kräfte“, sagt sie. „Das ist doch geisteskrank.“

Die S-Bahn setzt nun mehr Wachmänner ein. „Wir haben 120 bis 140 Männer täglich im Einsatz“, sagt sie. Allerdings sei vor allem die Graffitiszene „sehr, sehr gut vernetzt“. Kenner sprechen von tausenden Schmierern und 200 weiteren, die ganze Züge bemalen. Als kurz vor der WM einige Spanier festgenommen wurden, „wurde das schnell in der Szene kommuniziert, die Sprüher wurden vorsichtiger“, sagt Karau. Die Berliner Polizei hat einen großen Stab von Ermittlern aufgebaut, vor denen die Graffiti-Szene mittlerweile höchsten Respekt hat.

Andererseits werden die Methoden der Graffiti-Szene immer hemmungsloser. Weil die S-Bahn die beschmierten Züge lieber im Depot lässt und nur saubere auf die Schienen schickt, schmeißen Sprüher – so ist es auch in Videos der Szene zu sehen – schon mal Steine aus dem Gleisbett auf die Führerhausscheibe der sauberen S-Bahnen, um sie zu zerstören, damit der bemalte Zug durch die Stadt fahren muss.

Im Jahr 2005 konnte die S-Bahn 500 Täter ermitteln. Früher kam das Gros der Täter aus Nordberlin, heute ist es der Osten der Stadt. „Wir haben es in seltensten Fällen mit Hartz-IV-Empfängern zu tun“, sagt Karau. Die Altersspanne gehe von 14 bis 68 Jahren. Die Zugmaler (Karau: „Für die ist das Sport“) sind meist Mitte 20 und „keine Männer aus der Unterschicht“, sagt sie. „Wir hatten sogar einen Pfarrerssohn darunter.“

André Görke

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