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Das Sozialamt Potsdam - hier arbeitete die Sachbearbeiterin.

© Andreas Klaer

Sachbearbeiterin für Flüchtlinge: Verdacht auf Korruption im Rathaus Potsdam

Die Hinweise verdichten sich: Eine Sachbearbeiterin in Potsdam hat wohl aus der Not der Flüchtlinge Profit geschlagen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Für die Potsdamer Antikorruptionsbeauftragte Dorothee Reinert waren die Hinweise deutlich genug. Auch bei der nochmaligen Prüfung fand sie nichts, was die Mitarbeiterin des Fachbereichs Soziales im Rathaus entlastet hätte. Reinert schaltete die Strafverfolgungsbehörden ein.

Nun ermittelt die in Brandenburg landesweit für Korruptionsdelikte zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen die inzwischen beurlaubte Sachbearbeiterin aus dem Bereich Wohnen. Der Verdacht lautet auf Vorteilsannahme. Sie soll Wohnberechtigungsscheine an Flüchtlinge nur gegen Geld ausgestellt haben. Sie machte also mit einem behördlichen Verwaltungsakt Kasse, mit der Ausgabe eines amtlichen Papiers, das die Inhaber berechtigt, Sozialwohnungen zu beziehen. Und das ausgerechnet bei jenen, die nach Deutschland auf der Suche nach Sicherheit und Recht geflüchtet sind, die sich am wenigsten mit dem deutschen Behördensystem auskennen.

Potsdam will Flüchtlinge so schnell wie möglich aus Sammelunterkünften holen

Die nun im Verdacht stehende Mitarbeiterin arbeitete noch nicht allzu lange Zeit im Fachbereich von Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger. Sie war infolge der im vergangenen Jahr nach oben geschnellten Zahl neuer Flüchtlinge als Verstärkung für den Bereich Wohnen angeheuert worden. Potsdam hatte sich vorgenommen, Flüchtlinge so schnell wie möglich aus den Sammelunterkünften zu holen. Die Landeshauptstadt war dabei ohnehin schon Vorbild – und wollte es auch bleiben. Die Leitlinie lautet: Je schneller die Flüchtlinge in der gesamten Stadt, in den Kiezen Wohnungen bekommen, desto besser gelingt die Integration. Allerdings ist das keine leichte Aufgabe, der Wohnungsmarkt in Potsdam ist bekanntlich angespannt, Wohnraum besonders in den unteren Preissegmenten rar.

Die Sachbearbeiterin war noch in der Probezeit. Im Rathaus vermutet man, dass es den Flüchtlingen möglicherweise gar nicht fremd gewesen sein könnte, dass Behördenmitarbeiter finanzielle Gegenleistungen für wohlwollende Behandlungen zu verlangen. Offiziell verlangt die Stadt Gebühren von maximal 15 Euro für einen Wohnberechtigungsschein.

Durchsuchungen an mehreren Orten

Wer sich schließlich beim Ombudsmann der Stadt, Rainer Frank, über die Mitarbeiterin beschwert hat, ist bislang offiziell nicht bekannt. Es gibt aber Hinweise, die auf einen Flüchtlingshelfer deuten, jemanden, der sich mit den Möglichkeiten zur Beschwerde gegen Behördenhandeln in Potsdam auskennt.

Ombudsmann Frank schaltete schließlich die Antikorruptionsbeauftragte Reinert ein, die wiederum die Ermittler informierte. Am Montag vergangener Wochen rückten dann Beamte der Antikorruptionseinheit des Landeskriminalamtes (LKA) im Rathaus an. Von Durchsuchungen an mehreren Orten spricht die Staatsanwaltschaft offiziell. Dabei seien auch Beweismittel sichergestellt worden, hieß es. Der Name der beurlaubten Sachbearbeiterin ist inzwischen von der Internetseite der Stadtverwaltung gelöscht worden.

Keine Vertuschung

Am Mittwochabend informierte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Hauptausschuss hinter verschlossenen Türen über den Fall. Zuvor hatte er sich dafür Rückendeckung bei der Staatsanwaltschaft geholt. Jakobs ging es darum, jeden Anschein zu vermeiden, dass im Rathaus etwas vertuscht wird.

Allerdings sind die Ermittler noch am Beginn des Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hält sich deshalb mit Angaben zu dem Fall vorerst zurück. Es gebe einen Anfangsverdacht, der nun im Zuge der Ermittlungen überprüft werden müsse, sagte ein Behördensprecher dem Tagesspiegel. Auch Zeugenbefragungen stehen noch aus.

Fraglich ist, wie umfangreich die Mitarbeiterin ihr Geschäft mit den Wohnberechtigungsscheinen aufzogen hat – falls sich die Vorwürfe erhärten. Noch ist völlig unklar, wie viele Dokumente die Frau gegen Bares ausgereicht hat. „Aufgrund der laufenden Ermittlungen und der Unschuldsvermutung können wir dazu derzeit keine Aussagen treffen“, sagte ein Rathaussprecher. „Die Ermittlungen werden ergeben, ob es keinen, einen oder mehrere Fälle gegeben hat.“ Fest steht: Die Zahl der pro Jahr im Rathaus bearbeiteten Anträge auf Wohnberechtigungsscheine ist seit 2013 etwa gleichbleibend.

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