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Berlin: Same procedure as last week

Wer zum Jahreswechsel nicht genug gefeiert hatte, traf sich am Wochenende im Hotel Berlin – zur Silvesterparty

Er hat es besonders schwer. Wilfried Bernhardt ist eben Regeln gewohnt als Jurist im Justizministerium. Und jetzt will er am 3. Januar Silvester feiern. Eine echte Herausforderung – da musste er einfach handeln. Mit 13 Bekannten ist er an diesem 3. Januar zur „Silvesterparty“ ins Hotel Berlin gekommen. Die meisten haben sich seit dem richtigen Jahreswechsel noch nicht gesehen. Da hat Bernhardt vorsorglich „verboten, sich gegenseitig vor Mitternacht ein frohes neues Jahr zu wünschen“.

Seit fünf Jahren feiert das Hotel Berlin immer am ersten Sonnabend im neuen Jahr noch einmal Silvester – mit Luftschlangen, Büfett, Discjockey, einer Band, Bleigießen, Tombola und natürlich einem Countdown ins neue Jahr. Die Party mit 500 Gästen ist ausverkauft. Eigentlich war sie gedacht für all diejenigen, die zum Jahreswechsel arbeiten müssen, Gastronomen beispielsweise. Die machen inzwischen aber nur noch die Hälfte aller Feiernden aus. „Immer mehr Berliner haben einfach Lust auf ein zweites Silvester“, sagt der stellvertretende Hoteldirektor Stevan Timoti. Das Konzept würde sogar von anderen Hotels und Clubs kopiert.

Mit „ein bisschen Fantasie“ und ihren Regeln fühlen sich Wilfried Bernhardt und seine Freunde inzwischen tatsächlich wie zum Jahreswechsel. Ein zweites Silvester sei ziemlich praktisch, sagt der 49-Jährige, „Man findet viel leichter Babysitter – und billiger sind die am 3. Januar natürlich auch.“ Zu Hause, im kleinen Kreis mit der Familie, hat er am 31. gefeiert, heute sind die Freunde dran.

50 Euro kostet eine Karte für die Silvesterparty, Essen mit Austern und Hummern inklusive. Um viertel nach zehn bringt der Discjockey die tanzende Menge dann auf den neuesten Stand: „Noch 105 Minuten bis zum neuen Jahr!“ Und wie an einem 31. Dezember um diese Zeit, beginnen die ersten wegen des Alkohols die Koordination zu verlieren. Ein junger Mann mit Lederjacke und Bierkrug in der Hand versucht – mehr mit Gesten – zu erklären, was er sich für das neue Jahr vorgenommen hat. „Eins ist klar im neuen Jahr“, sagt er sehr undeutlich. Dann zeigt er mit der rechten Hand auf den Bierkrug in seiner linken und verzieht angewidert das Gesicht – was offenbar seine Abscheu gegenüber dem Getränk dokumentieren soll, das er vorher stundenlang, literweise und ohne erkennbaren Widerwillen in sich hineingeschüttet hat.

Die Vorsätze – dass damit bei zwei Silvestern einiges möglich ist, haben auch diejenigen verstanden, denen der zweite Jahreswechsel egal ist und die nur wegen der Party hier sind. „Zweites Silvester heißt zweite Chance“, sagt Biologie-Studentin Meike Ahlers und zieht an ihrer Zigarette, „in einer Stunde hör ich wirklich auf.“

Eine Enttäuschung gab es um Mitternacht zumindest für alle die, die sich inzwischen in richtige Silvesterlaune gefeiert hatten. Denn nach einem gemeinsamen Countdown und dem Zuprosten um 0.00 Uhr warteten die Feiernden vergeblich auf Böller und Raketen. „Ein paar Knallerbsen hätten es doch schon getan“, sagt einer der Gäste sichtlich enttäuscht, als der Discjockey einfach wieder Musik spielt. Die Silvesterstimmung sei für ihn jetzt weg.

Dass es die Party auch in zwei Jahren noch geben wird, hofft wohl am meisten der Koch-Azubi des Hotel Berlin. Dann ist er nämlich mit seiner Ausbildung fertig und kann auch mal feiern. Die Lehrlinge des Hotel Berlin mussten nämlich arbeiten – an beiden Silvesterpartys.

Juris Lempfert

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