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Rost und Zerfall. Auf den zweiten Blick erkennt man viele Mängel am alten Fluighafenkomplex.

© Björn Kietzmann

Sanierungsfall Flughafen Tempelhof: Zwischen Baudenkmal und Ruine

Planen fangen das Wasser auf, das durchs Dach tropft. Noch hält es, doch wie lange? Das Gebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof bröckelt vor sich hin – und niemand weiß, wer ihn sanieren soll. Ein Rundgang.

Ins Treppenhaus zur Dachterrasse, ganz oben, haben sie irgendwann Sauna und Solarium eingebaut. Das veraltete Inventar ist noch gut erhalten, auch der Zettel mit finnischen Saunasprüchen. Alles denkmalgeschützt. Darunter beginnt der Rohbau, so, wie er 1942 von den Bauarbeitern hinterlassen wurde. Nackte Betonstufen, ein improvisiertes Geländer, die massive Kalksteinverkleidung der Säulen teilweise mit einem Holzrahmen geschützt, unverputzte Wände. Nach dem Endsieg wollten sie hier weitermachen.

Das Tempelhofer Flughafengebäude ist ein Museum des 20. Jahrhunderts, „das größte Baudenkmal Europas“, sagt Gerhard W. Steindorf von der Tempelhof Projekt GmbH, die sich seit 2010 um das Gebäudeensemble mit 9000 Räumen kümmert. 50 Prozent der mietbaren Räume sind vermietet, der Rest ist Veranstaltungsfläche für Konzerte und Partys – oder steht leer.

Und darum geht es, Leerstand. Wie lange hält ein Gebäude das aus? Von außen betrachtet steht das Flughafengebäude da wie eine Eins, aber hinter der Fassade hat sich seit 70 Jahren nicht viel getan. Die Amerikaner haben um- und angebaut, aber nichts grundlegend saniert, die Berliner Flughafengesellschaft übernahm mit der Perspektive, bald wieder auszuziehen. Ein Gutachten von 2011 ermittelte einen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf von rund 500 Millionen Euro. An vielen Stellen im Dach dringt Wasser ein, die Tore der Hangars rosten, Teile der Muschelkalkfassade sind verwittert. Vieles deutet auf eine Bauruine hin, doch dieses Wort empfindet Steindorf als Beleidigung des Baudenkmals. Arbeiten das Polizeipräsidium, das Internationale Design-Center, die Berliner Verkehrslenkung und rund 100 weitere Mieter in einer Bauruine?

Das Haus ist kaum zu bändigen

Während das Gebäude an manchen Stellen ziemlich marode aussieht, arbeiten andere hier in ganz ordentlichen Büros. Zum Beispiel Grün Berlin – mit unbezahlbarem Blick aufs Flugfeld.
Während das Gebäude an manchen Stellen ziemlich marode aussieht, arbeiten andere hier in ganz ordentlichen Büros. Zum Beispiel Grün Berlin – mit unbezahlbarem Blick aufs Flugfeld.

© Björn Kietzmann

Ein Rundgang durch das Haus soll das Gegenteil beweisen. Ohne Bauhelm! Im östlichen Flügel des halbrunden Zentralgebäudes liegen die Büros von Tempelhof Projekt, Grün Berlin und der Internationalen Gartenschau IGA, die bald ausziehen soll. Grauer Teppich, helle Räume, die großen Kastenfenster sind noch original erhalten. Mittlerer Bürostandard, ohne Klimaanlage. Was die Räume unbezahlbar macht, ist der grandiose Blick auf das weite sonnige Flughafenfeld.

Plötzlich geht es nicht weiter, die Tür zum unsanierten Gebäudeteil hat kein Schloss. Solche Überraschungen quittiert Gerhard W. Steindorf mit einem Lächeln. Dieses Haus ist kaum zu bändigen, zu groß für den Einzelnen, der sich hineinwagt.

Steindorf kalkuliert den Instandsetzungsbedarf plus „Modernisierung auf minimalem Niveau“ auf eine Summe von 195 Millionen Euro, 17 Millionen davon seien bereits ausgegeben. Es gebe einen erheblichen Sanierungsstau, aber der ließe sich bewältigen, wenn der Finanzsenator weiterhin rund zehn Millionen Euro im Jahr für Investitionen zuschießt. Wegen der Haushaltsmisere könnte diese Finanzhilfe wegfallen, und man spürt, wie diese Drohung an Steindorfs Nerven zehrt. „Es gibt einen Sanierungsplan, aber wir schmeißen den vielleicht gerade weg.“

Noch sind keine Betonbrocken von der Decke gefallen

Aufgespannte Planen fangen das durchsickernde Wasser auf.
Aufgespannte Planen fangen das durchsickernde Wasser auf.

© Björn Kietzmann

Entscheidend ist die Dachsanierung. Ein Drittel der Hangardächer sind frisch saniert, wenn jetzt kein Geld mehr reinkommt, saugen sich die restlichen zwei Drittel weiterhin wie ein Schwamm voll Wasser, das sich seinen Weg durch die Decke sucht und in eine der schwarzen Planen rinnt, die darunter gespannt sind. Ist eine Plane voll, wird sie per Hubwagen angesteuert und von zwei Mann geleert.

Die Mensch-Maschine-Technik kommt auch bei den verzogenen Hangartoren zum Einsatz. Die Elektromotoren bringen nicht genug Schub, da müssen schon mal drei Mann mitschieben.

Unendliche Weiten: Eine der Hangar-Hallen des Flughafens.
Unendliche Weiten: Eine der Hangar-Hallen des Flughafens.

© Björn Kietzmann

Mehrmals klopft Steindorf auf Holz. Oder eben in die Luft, wenn keins zur Hand ist. Toi-toi-toi. Es seien noch keine Betonbrocken von der Decke gefallen, toi-toi-toi, keine Platten aus der Fassade. Wurde eben grundsolide gebaut in den 30ern. Der fränkische Muschelkalk wurde damals nicht einfach vorgehängt, wie es moderne Architekten machen, sondern gründlich eingemörtelt und zusätzlich verdrahtet. Das kann noch Jahrzehnte halten, oder eben nur noch wenige Jahre, dort, wo Feuchtigkeit eindringt. Kein Gutachter hat die riesigen Fassadenflächen bisher genauer unter die Lupe genommen. Über einigen Fenstern sind die Platten rot verfärbt, dort hat es im Krieg gebrannt.

Wer soll da einziehen?

Der alte Flughafen hatte in der NS-Ära eine Schienenanbindung, die Amerikaner ließen die Gleisanlagen im Untergeschoss teilweise überbauen, in den alten Lagerschuppen warteten sie ihre Lkws. Hier riecht es nach kaltem Staub und Altöl. Der Außenputz zeigt Feuchtigkeitsbeulen, hier vollzieht sich schon der Verfall zur Ruine. Herrichten ließen sich die Schuppen wieder, aber wofür? Viele Räume unterhalb des Straßenniveaus stehen leer, sie bekommen nur von einer Seite Licht. Wer soll da einziehen?

Prunkstück des Gebäudes ist die Abfertigungshalle, hier scheint die Zeit stillzustehen. Der Marmor im Foyer hat nur wenig gelitten, dafür gehen die stählernen Eingangstüren schwer auf. Am vorgelagerten Platz der Luftbrücke hatten die Amerikaner ihr Offiziershotel eingerichtet, mit kleinen Wohnungen, einer schicken Bar, die sofort den Betrieb wieder aufnehmen könnte, und dem historischen, bis zur Decke getäfelten Eichensaal der Lufthansa. Hier gibt es kein Wasser, das durchs Dach rinnt. Der geplante Umbau zu einem Gründerzentrum für die digitale Wirtschaft ist wegen Geldmangels auf unbestimmte Zeit verschoben.

Einen privaten Investor ins Haus zu holen, lehnt Steindorf ab. Der würde den Gewinn nicht in die Gebäudesanierung stecken, und deswegen seien sie schließlich hier. „Wir brauchen keinen weißen Ritter“, sagt Steindorf. Aber viel Geld. Die Einnahmen aus Vermietung und Events – zwölf Millionen Euro – decken gerademal die Betriebskosten. „Die Sanierung geht viel zu langsam.“ Der Verfall arbeitet womöglich schneller.

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