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Berlin: Sarrazins Alleingang

Schluss mit der Wohnungsbauförderung: Der Finanzsenator überrascht alle – zur Unzeit, findet seine Partei

Von Brigitte Grunert

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) macht seiner Partei Sorgen. Immerfort überrascht er mit brisanten Sparvorschlägen. Von seinem öffentlichen Vorstoß, keine Anschlussförderung für die Wohnungsbauförderung der Jahrgänge ab 1987 zu gewähren, wusste selbst der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vorher nichts. Das bedeutet Mietsteigerungen, aber ein bezahlbares Dach über dem Kopf ist ein existenzielles Sicherheitsbedürfnis.

Das Thema ist seit langem virulent, aber Sarrazin macht damit im Wahlkampf von sich reden, und das ist der SPD nicht recht. „Sarrazin kann selten warten“, heißt es süffisant in der Umgebung Wowereits. Fraktionschef Michael Müller beschwichtigt: „Es gibt keinen Grund, Sarrazin zu kritisieren. Wir müssen auch im Wahlkampf ehrlich sagen, wo wir stehen.“ Aber wo? Es gibt Meinungsverschiedenheiten Sarrazins mit Stadtentwicklungssenator und Parteichef Peter Strieder. Das findet Müller ganz natürlich. Der Finanzsenator sehe das Milliarden-Risiko der Wohnungsbauförderung für den Not leidenden Haushalt. Er will, wie berichtet, die Ausgaben für Mietsubventionen von jährlich 1,55 Milliarden Euro auf 840 Millionen bis 2015 drücken. Strieder dagegen will sich nicht einfach aus der Wohnungsbauförderung verabschieden, denn das würde die Mieter belasten.

Bisher gebe es keine Beschlüsse, betont Müller, sondern nur eine Diskussion über die richtige Richtung. Es klingt hinhaltend. Müller kennt seine Fraktion. Die Abgeordneten müssen den Wählern Rede und Antwort stehen. Sie würden ihnen gern sagen, dass sie auch noch Geld ausgeben. Vor allem will sich die SPD nicht dauernd von Sarrazin überraschen lassen. Er möge seine Überlegungen zuerst der Fraktion vortragen, heißt es: „Der hat früher in der Wirtschaft kommandiert, Kommunikation fällt ihm schwer.“ Das erinnert an die Probleme, die die frühere Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) in der Großen Koalition hatte. Klaus Wowereit und Klaus Böger stärkten ihr den Rücken gegen Widersacher in der CDU wie SPD.

Inzwischen hofft die Berliner Politik längst auf Bundeshilfen aus der Finanzmisere. Insofern ist die rot-rote Koalition gar nicht böse über den Klageweg der Oppositionsfraktionen wegen verfassungswidriger Verschuldung des Landeshaushalts. Und redet nicht Senator Peter Strieder vorsichtig einer Abkehr vom rigorosen Sparkurs das Wort? Müller bestreitet: „Es gibt keine Trendwende, sondern eine breite Diskussion über unsere Schwerpunkte, die wir trotz der Sparpolitik setzen.“

Das ist neben der Bildungspolitik die Stadtentwicklung, die auch Sozialpolitik ist. Damit ist man wieder beim Thema Wohnungsbauförderung. Nach der Wahl wird man sicher temperamentvoller mit Sarrazin streiten. Jetzt will die SPD erst mal ein bisschen Geld sehen, zum Beispiel für Zebrastreifen vor Schulen. „Auch mit kleinen Beträgen kann man große Wirkung erzielen“, sagt Fraktionssprecher Peter Stadtmüller.

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