zum Hauptinhalt

Berlin: Sasha Waltz, Compagnie-Chefin

„Ich liebe diese Hässlichkeit“, sagt die grazile, energiegeladene junge Frau mit ihrem hübschen schmalen TänzerinnenKopf und ihrem bescheidenen, fast studentischen Auftritt. Es ist eine Art Liebeserklärung.

„Ich liebe diese Hässlichkeit“, sagt die grazile, energiegeladene junge Frau mit ihrem hübschen schmalen TänzerinnenKopf und ihrem bescheidenen, fast studentischen Auftritt. Es ist eine Art Liebeserklärung. Sie mag die „vielen Narben und Brüche“ in Berlin und dass hier „alles so unglaublich lange dauert“. Das lässt Raum für interessante Zwischennutzungen und Zeit für kreative Lösungen. Ein Beispiel, der Palast der Republik, den sie mit ihrer Compagnie kürzlich bespielt hat (Dialoge 4).

Aber auch ihre anderen Tanz-Schöpfungen lässt sie so entstehen, das Stück „Körper“ etwa, mit dem sie an der Schaubühne international Aufsehen und Anerkennung ausgelöst hat – oder davor 1996 ihre hoch gelobte „Allee der Kosmonauten“ als Eröffnung der Sophiensäle.

Tanz bestimmt ihr Leben, seit die Karlsruher Oberschülerin mit 15 Jahren in Freiburg einen Workshop „postmoderne Tanztechniken“ erlebt hat. Bis dahin war sie, die Älteste von insgesamt fünf Geschwistern, ein „lebendiges Kind, etwas frech und aufmüpfig“. Die Bildende Kunst war Sashas Welt, sicherlich beeinflusst durch ihre Eltern, Architekt und Galeristin. Dann, vom Tanzfieber gepackt, wollte sie eigentlich die Schule abbrechen, doch sie hielt durch. In Amsterdam erfuhr sie ihre Tanzausbildung. Dann lernte, inszenierte und tanzte sie in New York, anschließend gab es Workshops quer durch Europa. Mit Vorliebe tanzte sie an extremen Orten, in leeren Fabrikhallen oder in Parks. Ein Stipendium vom Künstlerhaus Bethanien und die Koproduktion mit Groningen verhalfen ihr zum ersten eigenen Programm und dem ersten eigenen Studio.

1993 gründete sie mit ihrem Lebenspartner Jochen Sandig – und ihrer Schwester Yoreme – in Berlin eine eigene freie Tanzcompagnie. Mit der „Travelogue-Trilogie“ bereisten sie 25 Länder. Aus dieser „Firma“ wird jetzt eine GmbH mit insgesamt 28 fest angestellten Tänzerinnen, Tänzern und sonstigen „Technikern“ und etwa 50 freien Mitarbeitern. Mit der Schaubühne haben sie einen Vertrag über 1,7 Millionen Euro für rund 50 Aufführungen pro Jahr. 575000 Euro kommen aus dem Hauptstadtkulturfonds. Die restlichen Einnahmen müssen die gut 50 Gastspiele einbringen. Attraktiv scheint diese „Existenzgründung“ für die Szene zu sein, weil sie für die Tänzer eine „nachhaltige Beziehung“ verspricht, eine Art „Familienbindung“. Aus eintausend Bewerbungen können sie die Besten wählen.

Für ihre eigene Familie, ihre zwei Kinder von sieben und zwei, bleibt nicht allzu viel Zeit. Zwei Wochen Korsika im Sommer und möglichst viele gemeinsame Ausflüge. Und keine Computerspiele! Die allgegenwärtige Bilderwelt drohe die Menschen abzustumpfen. Sie möchte sie deshalb sensibler und „hellsichtiger“ machen. Ihre persönliche Trilogie hat die Überschriften: Gerechtigkeit, Einfachheit und Empfindsamkeit.

Heik Afheldt war Herausgeber von „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ und dem Tagesspiegel.

Sasha Waltz (41),

Tänzerin, Choreografin und Künstlerische Leiterin der Schaubühne. Geschäftsführende Gesellschafterin der Sasha Waltz & Guests GmbH in der Sophienstraße.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false