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Ins kalte Wasser: Dido und Aeneas von Henry Purcell - und Sasha Waltz.

© Reuters

Sasha Waltz in der Waldbühne: Nass und forsch

Ärger der Begossenen, Jubel der Begeisterten: Kolja Reichert freut sich über kritische Öffentlichkeit bei Sasha Waltz' Auftritt in der Waldbühne.

Sasha Waltz’ Inszenierung der Oper „Dido und Aeneas“ mit Riesenaquarium ist eine nasse Angelegenheit. Wie kalt aber das Wasser war, in das Sopranistin Annette Dasch sprang, als sie das Publikum mit den Worten begrüßte, es sei so bunt wie ihr Kleid, ahnte Dasch nicht. Denn das Publikum hatte Opfer erbracht, um in die Waldbühne zu kommen. Erst um 19 Uhr ließ der Regen nach und der Ärger der Begossenen war groß, als sie merkten, dass sie ungefragt in eine Geburtstagsfeier für das Radialsystem eingemeindet waren und eineinhalb Stunden warten mussten. „Wie in der Kirche“ stellte Gründer Jochen Sandig sich die Verteilung der Tortenstücke am Bühnenrand vor, was viel über die Rolle verriet, in der er das Publikum sieht, das teils mit leeren Händen zurück auf die Plätze geschickt wurde.

Die Buhrufe trafen dann ausgerechnet den Wildhüter, der ein Wort für die in der Waldbühne wohnenden Waschbären einlegte. Der Friedenswillen, den die Menge beim „Happy Birthday“-Singen bewiesen hatte, war endgültig verspielt, als Dasch rief: „Alle, die jetzt buhen, haben überhaupt keine Ahnung, weil die Oper fängt erst um halb neun an, und das steht auch auf den Karten drauf.“ Das war vor allem deshalb lustig, weil sich jeder der Beschimpften versichern konnte, dass auf seinem Ticket weder etwas von 20.30 Uhr noch von einer Feier stand. Schließlich sprach Waltz persönlich das Machtwort im Probenleiterton: „Wir können nicht anfangen, bevor es dunkel ist!“

Nun wäre der Vorgang nicht mehr als ein Lokalpolitikum für ein Spezialpublikum, spiegelte er nicht ein gesellschaftliches Problem, das bis zum dauerbeleidigten Regierungssprecher Seibert reicht: die Unfähigkeit, Kritik als Gewinn zu sehen, als Einladung zur gemeinschaftlichen Lösungsfindung. Desto erfreulicher die lebhafte Publikumsreaktion, die klarstellte: Nur weil ihr ein tolles Haus habt, tolles Theater macht, bunte Kleider tragt und das alles noch mit Naturschutz verbindet, seid ihr noch lang nicht unsere Freunde. Von dort, wo die Pfiffe am lautesten waren, ertönte später der größte Jubel für die grandiose Aufführung. Die kritische Öffentlichkeit, sie ist intakt.

Hier noch ein Kompliment an die Toilettendamen der Waldbühne, die sich höflich, humorvoll und bestens organisiert mal wieder als herausragende Gastgeberinnen erwiesen.

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