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Schnelldenker. Wenn es drauf ankommt, schreibt Bernhard Pöschla seine Geschichten auch schon mal zwischen Frühstück und Bürojob.

© Georg Moritz

Satiremagazin: Das Leben, ein Witz

Bernhard Pöschla postet in seinem erfolgreichen Internet-Satiremagazin „Kojote“ bissige Witze und Geschichten. Den Titel hat er mit seiner Frau herbeigegrübelt.

Seine Witzfabrik betreibt Bernhard Pöschla mit großer Ernsthaftigkeit: Schreiben, lesen, entrümpeln, präzisieren. Gegenlesen lassen, weibliche Intuition beachten, Logik hinterfragen. Erst nach diesem aufwendigen Fertigungsprozess schaltet er seine Geschichten frei für den „Kojoten – Deutschlands seriösestes Nachrichtenmagazin“. Dort liest eine stetig wachsende Fangemeinde im trockenen Stil einer Nachrichtenagentur etwa die Meldung, der letzte Ur-Berliner in Prenzlauer Berg sei verstorben: Albert Schlotz, dessen Miete „aufgrund einer Datenpanne noch nicht auf die ortsüblichen 35 Euro pro Quadratmeter erhöht worden war“. Todesursache sei der Sturz über eine Kiste Trollinger im Hausflur gewesen, der Vermieter – „ein 27-jähriger pensionierter Oberstudienrat aus Heilbronn“ – habe gar nichts von dem Exoten in seinem Haus geahnt, der zeitlebens an einer Bionade-Allergie litt.

Mit mehr als 60 000 Klicks gehört diese Meldung zu den erfolgreichsten, die der 46-Jährige seit dem Start des „Kojoten“ Mitte November geschrieben hat. Sein Talent war ihm selbst und anderen schon früher aufgefallen; Satiremagazine wie der „Eulenspiegel“ veröffentlichten dankbar seine Texte. „Aber mir ist so viel eingefallen, dass ich dachte, es reicht für ein eigenes Magazin“, sagt Pöschla, der im wahren Leben einen Bürojob hat und den nur im Internet veröffentlichten „Kojoten“ als Hobby betreibt. Den Titel hat er mit seiner Frau herbeigegrübelt. Der Kojote machte das Rennen, weil er bei den Indianern als gewitzt gilt. Und bissig ist er auch.

Die meisten Ideen fliegen Pöschla zu, wenn er durch seinen Schmargendorfer Kiez joggt. Auch die Nachrichten lösen Gedankenblitze aus. Als er beim Frühstück im Radio hörte, dass die Berliner S-Bahn-Fahrer streiken, tippte er vor der Arbeit schnell die Meldung: „S-Bahn-Lokführer retten Fahrgäste vor Überangebot“. Darin lässt er einen Lokführersprecher erklären, dass die Kunden von der Masse der zuletzt wieder funktionierenden Züge und Linien überfordert gewesen seien und „der heutige Service“ den Übergang bis zum nächsten Winter erleichtere.

Das schrieb sich von selbst – ein gutes Zeichen. Pöschla weiß, dass schwergängige Arbeit am Text ein Warnsignal ist: Ein Gag, an dem man zu lange feilt, wird irgendwann nicht mehr rund. Und Ausschuss gehört weggeworfen. Pöschla hat Stil- und Glossenseminare besucht, kennt Regeln wie „Kill your darlings!“ Auf Deutsch: Wenn sich um einen scheinbar tollen Witz partout keine Geschichte zimmern lässt, ist er wohl doch nicht so toll. Pöschla hält sich selbst für seinen kritischsten Leser: Er werfe manches weg, das seine Frau durchaus brauchbar finde. Ihr Rat ist ihm trotzdem unentbehrlich: Sie erkenne besser als er selbst, ob eine Geschichte in sich schlüssig ist. Außerdem schaut sie, ob die Waage zwischen Realität und Übertreibung austariert ist: Was zu nahe liegt, kann keinen überraschenden Gag ergeben. Und was zu absurd ist, kapiert außer dem Autor niemand. Versteht zum Beispiel jeder die Meldung, dass die Geflügelindustrie ihre Hühner nicht mehr mit dioxinverseuchten Dieselölresten füttert, sondern mit E10-Benzin? Und dass die Hühner deshalb sogar in Käfighaltung fröhlich sind, aber das Fleisch nicht an Jugendliche verkauft werden darf?

Pöschla ist ein Schnelldenker; nicht eitel, aber ehrgeizig. Er will den „Kojote“- Welpen zu einem der wichtigsten deutschen Satiremagazine heranzüchten. Als Nächstes braucht er einen Sportteil; Leser haben schon danach gefragt. Perspektivisch könnte er auch die im „Kojoten“ gepriesenen Themenhefte beleben, zu denen er bisher nur Titelseiten entworfen hat: „Move on! – das Lifestyle-Magazin für Mietnomaden“. Oder ein Blatt „für solvente, reifere Herren“ – gemacht von einem „erfahrenen Team um Chefredakteur Albert Schlotz (18)“. Vielversprechende Hülsen, leider leer. Eine Kapazitätsfrage: Die Redaktion besteht nur aus Pöschla. Auch die Bilder zu den Geschichten sucht und montiert er selber

Und wer ist Albert Schlotz? Eine Erfindung, sagt Pöschla. Er habe lange im Internet geforscht, um keine real existierende Person gleichen Namens ins Unglück zu stürzen. Wer mit scharfen Waffen hantiert, muss doppelt aufpassen, dass er niemanden verletzt.

Die Satire-Zeitung im Internet: www.kojote-magazin.de

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