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Berlin: Sauber verdient

Ein Lackierer führt einen erfolgreichen Kampf gegen Graffiti – und lässt sich gut dafür bezahlen

Tuncer Gecekus will künftig nur noch große Geschäfte machen. Mit einem Mietshaus, das er kaufen will. Er sagt, Geld habe er, und Erfahrung auch, seit er vor vier Jahren die Wohnung am Görlitzer Park gekauft hat, in der er seit 1972 wohnt. Ruhig zum Hof hin, in einem Gründerzeithaus mit einer Taxischule im Parterre und einer „Frisier-Bar“, was auch immer das sein mag. Der Farbton der Fassade ähnelt Lachs mit Currysoße und ist so kräftig, wie ein Farbton erst durch vielmaliges Überstreichen wird. Die Farbschichten zeugen vom siegreichen Kampf des Tuncer Gecekus gegen die Graffiti-Szene vom Görlitzer Park, die in der Umgebung praktisch alle senkrechten Flächen unter ihre Kontrolle gebracht hat: Krakelige Tags und scharfkantige, teils mannshohe Buchstaben prangen auf den Mauern um den Görlitzer Park, auf dem Pamukkale-Brunnen, auf geparkten Anhängern, an Rollläden und Hauswänden vom Boden bis Räuberleiter-Höhe. Außer bei Tuncer Gecekus.

Der 42-Jährige zählt nicht mehr, wie viele Schichten er in den letzten Jahren auf die Fassade gestrichen hat. Es war jedenfalls ein Riesengeschäft für ihn. Als das Haus vor fünf Jahren saniert wurde und die frische Fassade die Schmierer anlockte, habe er der Hausverwaltung seine Dienste angeboten. Man einigte sich auf 20 Euro pro Stunde. Am Anfang ist er täglich losgezogen mit dem Farbeimer und hat die Schmierereien der Nacht überpinselt. Wochenlang ging das so: Auf der Hauswand trocknete die Farbe und bei Gecekus klingelte die Kasse.

Irgendwann musste er nur noch jeden zweiten Tag anrücken, dann einmal pro Woche, später griff er nur noch monatlich zum Pinsel und jetzt hat er die Farbe schon seit Februar nicht mehr angerührt. „Wahrscheinlich haben die Sprayer sich beobachtet gefühlt, wenn am nächsten Morgen alles gleich wieder weg war“, vermutet er. Dabei würde er sich nie nachts auf die Lauer legen: „Schlaf geht vor.“

Im Hauptberuf arbeitet er als Industrielackierer. Er schuftet viel und verdient viel, „aber ich will nicht noch mit 70 Lackierer sein“. Jetzt hat er also genug Geld zusammen, um mit seinem Bruder ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Aus dem beschmierten Kreuzberg wegziehen will er aber nicht. „Kreuzberg ist super; ich liebe Krach.“ Die Graffiti stören ihn aber schon. „In der Türkei kommen die Sprayer ohne Prozess ins Gefängnis – da ist nix mit Menschenrechten und so.“ Das Modell scheint ihm vorbildhaft für Kreuzberg, aber sein Bruder sagt: „Gefängnis kostet nur unser Steuergeld.“

So richtig aufregen über die Sprayer können sie sich beide nicht, zumal der Stress ja nachgelassen hat. Gecekus hätte jetzt durchaus zusätzliche Kapazitäten: „Für 20 Euro die Stunde würde ich die ganze Straße machen.“

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