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In Köpenick an der Spree entsteht eine Mittelalterstadt .

© Stefan Jacobs

Saubere Sache -Gemeinsame Sache: Köpenick: Raus in die Schule

In Köpenick an der Spree entsteht eine Mittelalterstadt für Schulklassen. Der Verein „Zeitfluss“ packt tatkräftig an – und kann fleißige Helfer gut gebrauchen.

„Es geht gleich los“, ruft Marlies Böttcher. Mitten unter der heißen Augustsonne steht sie an der Kreissäge und zerteilt Bretter. Und hoch oben auf dem Gerüst einer Holzhütte werkelt gut gelaunt ein Mann in Jeans und Stiefeln. An der Alten Spree, einem Flussarm oberhalb der Baumgarteninsel, entsteht eine Stadt in der Stadt, genauer gesagt: eine Mittelalterstadt. Gerade arbeiten die Freiwilligen an der Schmiede und dem überdachten Backofen. „Mittlerweile sitzen wir auch komfortabel“, sagt Böttcher. Die selbst gezimmerten Holzbänke stehen erst seit drei Wochen.

„Schule am anderen Ort“ lautet das Konzept: Bald sollen Klassen jeder Stufe und jedes Schultyps ihre Wandertage in der Mittelalterstadt verbringen. Vor zehn Jahren hatte Böttcher die Idee, Berliner Schüler in eine andere Zeit zu versetzen und das Mittelalter praktisch erfahrbar zu machen.

Also gründete die Studienrätin, die hauptberuflich am Treptow-Kolleg unterrichtet, den Verein „Zeitfluss“. Zwei Jahre später bekam der Verein das Grundstück vom Bezirksamt Treptow-Köpenick zugewiesen; 2000 Quadratmeter der Gartenarbeitsschule Köpenick dürfen die Freiwilligen bebauen.

Die Älteren können Urkunden anfertigen

Obwohl die Idee schon vor langer Zeit gereift ist, braucht das Projekt seine Zeit – die Baugenehmigung erhielt der Verein erst vor einem Jahr. Schließlich muss die Stadt baulich dem Brandschutz und den Bestimmungen des Gesundheitsamts genügen, damit die Schüler sich selbst ihr mittelalterliches Brot backen dürfen.

Barrierefrei soll die Mittelalterstadt auch sein, einschließlich der sanitären Anlagen: „Die sind dann zum Glück aber neuzeitlich“, sagt Wilfried Wolff und schmunzelt. Der Ingenieur hat mit seinem Büro die Planung übernommen und arbeitet an den Wochenenden ehrenamtlich mit.

„Am Wandertag kommen die Kinder morgens an, legen ihre Handys ab, ziehen einen Kittel über und sind bis nachmittags bei einem Meister ihrer Wahl tätig“, erklärt Böttcher. Doch nicht nur die Berufe Schmied, Weber, Töpfer, Bader oder Korbflechter lernen die Schüler kennen. Im Rathaus beschäftigen sie sich mit Stadtverwaltung und in der Gerichtslaube mit historischer Rechtsprechung. Der zugehörige Galgen diene aber bloß demonstrativen Zwecken, sagt Wolff und lacht. „Bis zum Leistungskurs Geschichte findet sich für jeden was“, fügt Böttcher hinzu. Die Älteren können Urkunden anfertigen und erfahren, was ein Stadtbuch ist.

Im Mittelalter hatte Berlin nicht viel zu bieten

Vor Jahren besuchte Böttcher die Magdeburger Museumsstadt „Megedeborch“, mit ihren öffentlichen Markttagen und den historischen Spielen. „Berliner Kinder haben allerdings kaum die Chance, Megedeborch zu besuchen“, sagt die Lehrerin. Denn nur an einem Tag im Jahr können sich Schulklassen zum Besuch anmelden.

Die Köpenicker Mittelalterstadt soll nun den Berliner Schülern das städtische Leben ihrer Region im 12. und 13. Jahrhundert näherbringen: Wo heute das Schloss Köpenick steht, regierte im 12. Jahrhundert der Slawenfürst Jacza von Copnic auf seiner Rundburg. Und Cölln und Berlin, weiter oben an der Spree, waren damals noch blutjung. Erst ab 1237 wurden sie urkundlich erwähnt.

„An Events hatte Berlin im Mittelalter aber nicht viel zu bieten“, sagt Böttcher. Denn Berlin sei, anders als etwa Magdeburg, nie kulturelles Zentrum gewesen. Doch ein bisschen was los war im öden Berliner Mittelalter ja doch: Wie verteidigten die Bürger sich zum Beispiel, wenn Raubritter ihre Stadt belagerten? Wie empfingen sie einen Kaufmann aus dem Orient, der ihnen Gewürze feilbot? Und, etwas profaner, was passiert eigentlich, wenn die Stadt die Steuern erhöht? All das möchte der Verein den Schülern mit historischen Spielen näherbringen.

"Es macht Spaß, dazuzulernen"

Unterstützung hat der Verein von der Jugendbauhütte Brandenburg/Berlin erhalten, die zwei der Holzhäuser zimmert. „Und auch Baustadtrat Hölmer ist uns zugetan und hat immer ein offenes Ohr“, sind sich Wolff und Böttcher einig. Mit Spenden der Veolia-Stiftung haben sie vor allem Material besorgt: Holz, Holz und noch mehr Holz. Fast alles machen die Helfer mit Muskelkraft, sogar die Rinde schälen sie von Hand von den Baumstämmen. „Das ist eine Arbeit“, sagt die Lehrerin.

Neben der 62-jährigen Böttcher kommen jedes Wochenende fünf bis 20 Helfer – die meisten sind Frauen. „Ich arbeite gerne im Frauenteam. Wir kooperieren gut“, sagt die gelernte Tischlerin Ulla Wendenkampf. Als Fachfrau kann sie den anderen einiges beibringen.

Auch Böttchers Partnerin Ines ist meistens dabei: „Es macht Spaß, dazuzulernen und zu sehen, wie es vorangeht.“ Ständig sucht der Verein aber weitere Freiwillige, die Lust auf handwerkliche Arbeit haben: auch am Aktionstag. Damit die Zeitreise in die Stadt von gestern bald starten kann.

Am 18.9. von 11 bis 18 Uhr begrüßt die Mittelalterstadt alle Freiwilligen, die bei der Gartenarbeit und beim Bau der Fachwerkhütten helfen möchten. Vorkenntnisse sind nicht nötig, Arbeitshandschuhe bitte mitbringen. Friedrichshagener Straße 7, Köpenick. www.mittelalter-in-berlin.de. Kontakt: Marlies Böttcher, 0172 644 7249.

Jana Scholz

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