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Saubere Sache: Smileys auch für Supermärkte?

Ab Juli 2011 markieren Smileys die Hygiene in Berlins Gaststätten. Umstritten ist, ob auch Fleischtheken und Backstuben gekennzeichnet werden sollen. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit.

Als Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) von seinen Erfahrungen mit den Ekellisten berichtete, die er vor über einem Jahr in Pankow einführte, schwang eine gehörige Portion Stolz mit bei der Anhörung im Abgeordnetenhaus zur besseren Hygiene in Berliner Gaststätten. Denn welche Widerstände musste die Verwaltung nicht überwinden: die Schmähungen der Gastwirte, den offenen Widerstand ihres Verbandes, die Skepsis anderer Bezirke. Doch als die Verwaltung Fotos verschimmelter Vorratskammern und verschmiert-verkrusteter Kochstellen veröffentlichte, brach der Server des Bezirks wegen des großen Interesses der Bürger zusammen. Dann folgte der Siegeszug der Smileys in ganz Berlin: Der Senat einigte sich mit allen Bezirken, das Pankower Modell berlinweit einzuführen. Auch die Konferenz der Verbraucherschutzminister aller Bundesländer plant Ähnliches.

Bisher gilt die Regelung nur für Gaststätten. Dort wird berlinweit ab Juli nächsten Jahres das Ergebnis der Hygienechecks der Betriebe für alle Besucher auf den ersten Blick erkennbar: durch einen fröhlich oder traurig dreinblickenden Gesichtszug. Ausgenommen sind bisher aber die „Lebensmittel verarbeitenden Betriebe“, die Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke) seit jeher auch im Visier hatte: also die Kennzeichnung der hygienischen Zustände in Backstuben und Fleischereien und damit auch an den Frischetheken des Lebensmittelhandels – 54 000 Betriebe in der Stadt insgesamt, sagte Lompscher.

Deren Bewertung kann der Senat aber nicht im Alleingang beschließen. Dazu muss das „Verbraucherinformationsgesetz“ geändert werden – ein Bundesgesetz also. Senatorin Lompscher kündigte an, der Senat werde „in Kürze“ den Start einer Bundesratsinitiative mit diesem Ziel beschließen. Dann sollen auch die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolleure aus den Aufsichtsämtern der Bezirke ausgehängt werden – und wenn die Gesetzesinitiative durchkommt „in allen Verkaufsräumen, in denen Lebensmittel in Verkehr gebracht werden“.

Nun beginnt der lange Weg durch die gesetzgeberischen Instanzen: Stimmt der Bundesrat zu, dann empfiehlt die Länderkammer dem Bundestag eine entsprechende Gesetzesnovelle. Im Bundestag stehen die Uhren dann aber wieder auf null: Dort werden erneut Experten in den Fachausschüssen angehört – und die Lobbyisten der Ernährungsindustrie stehen an vorderster Front. Das geltende Recht biete schon heute die Instrumente, um auf Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften effektiv zu reagieren, sagt etwa der „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“.

Doch ihr Widerstand wird sich nach Gammelfleischskandalen und Killer-Käse-Affären am Begehr nach mehr Hygiene und wirksameren Kontrollen in der Branche abarbeiten müssen: Im September beschloss die Verbraucherschutzkommission der Länder bereits, einheitliche Bewertungsmaßstäbe sowie eine allgemeine verständliche Darstellung der Lebensmittelkontrollen einführen zu wollen. Ob dies bundesweit auch mit „Smileys“ oder mit anderen Logos erfolgt, ist ungewiss, die Zielrichtung ist aber dieselbe wie beim „Berliner Modell“.

Im Gesetzgebungsverfahren des Bundes dürfte die erste Stufe der Smiley-Einführung in Berlin sehr genau beobachtet werden. Bei der Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus in dieser Woche bezweifelte Barbara Loth, Gesundheitsstadträtin aus Steglitz-Zehlendorf, dass alle Betriebe bis Mitte nächsten Jahres kontrolliert und bewertet werden können. Es fehle an Personal und an Geld für die „mobilen Endgeräte“. Die Computer mit einer speziellen Software werden zurzeit im Bezirk Marzahn-Hellersdorf erprobt. Und bei den Maschinen gibt es laut Bezirksstadtrat Christian Gräff noch einiges zu verbessern. Die neue Technik soll den Bediensteten dann aber eine Menge Arbeit ersparen: Der Smiley wird nach Abschluss der Prüfung unmittelbar vor Ort ausgedruckt und gut sichtbar in der Gaststätte angebracht – theoretisch können die Daten vor dort aus auch gleich an die Verwaltungsrechner übertragen werden. Das spart Innendienste am Schreibtisch – und erlaubt mehr Kontrollen mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern.

PRO

Dänische Verbraucher haben gut lachen: Knapp 90 Prozent der Restaurants und Lebensmittelgeschäfte des Landes schmücken sich laut Regierung inzwischen mit einem fröhlichen Smiley-Symbol – 20 Prozent mehr als noch vor ein paar Jahren, als das Kontrollsystem für all jene Unternehmen eingeführt wurde, die Lebensmittel anbieten. Wer hier einkauft oder essen geht, kann das gute Gefühl haben, dass mehr als anderswo auf Gesundheit und Sauberkeit geachtet wird. Die Dänen danken es ihrer Regierung: 97 Prozent der Verbraucher sind laut Umfragen der Meinung, dass die Smileys „eine gute oder sehr gute Idee“ seien. In Berlin ist man dem dänischen Vorbild bislang nur teilweise gefolgt und wendet das Smiley-System höchstens für Restaurants an. Warum so halbherzig? Schmutzige, alte oder falsch verarbeitete Nahrungsmittel sind in Supermärkten so inakzeptabel wie in Restaurants. Wer jetzt einwendet, für umfangreichere Prüfungen gebe es kein Personal, der sollte sich mal im Smiley-Pionierbezirk Pankow umschauen. Seitdem hier vor kurzem die Parkraumbewirtschaft ausgedehnt wurde, wimmelt es von Kontrolleuren, die mit ihren Knöllchen den staalichen Kassen hunderttausende zusätzliche Euro bescheren. Von dem Geld ließen sich durchaus ein paar Lebensmittelprüfer mehr bezahlen – so viel sollte uns unsere Gesundheit mindestens wert sein. Lars von Törne

CONTRA

Der Smiley mag noch so hellgelb stahlen, unsereins kann doch nur müde lächeln. Es ist ein ja hehres Vorhaben, jetzt auch Lebensmittelläden und Supermärkte mit dem Kontroll-Smiley zu bewerten. Allein: Das Icon ist eine Mogelpackung für den Verbraucher. Schon bei Gaststätten und Imbissen ist eine verlässliche Kontrolle wegen zu wenig Personal bei den Behörden nicht zu schaffen. Haben die Kontrolleure aufgedeckt, dass frisch gebackene Brötchen neben dem Klo gelagert werden oder dass sich Spinnenweben um Fleisch ranken, ist eine rasche neuerliche Kontrolle kaum zu schaffen. Oder andersherum. Hat jemand einen positiven Smiley bekommen – wer garantiert nicht künftige Fehltritte? Zudem hat der Handel längst scharfe Selbstkontrollmechanismen, und Skandale kann sich angesichts der harten Konkurrenz niemand erlauben. Und mit wie vielen Gütesiegeln für Waren und Handel will man die Kundschaft noch verwirren? Biosiegel, Ökotests, Warentesterurteil, da blickt doch keiner mehr durch, was nun wirklich zählt. Die zuständigen gesetzlichen Stellen sollen die Einhaltung der ausreichend strengen Vorschriften hinter den Kulissen prüfen. Und wenn nun wirklich jemand auch noch einen tatsächlich aussagefähigen Smiley will, dann müssten die Ämter personell gestärkt werden, doch dafür fehlt das Geld. Bleibt Folgendes: Smiley zurück in die Schublade. Annette Kögel

Was meinen Sie? Soll es eine Kennzeichnung mit Smileys auch für Supermärkte geben? Diskutieren Sie mit, indem Sie die Kommentarfunktion unter diesem Artikel nutzen.

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