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Ein Bücherregal in einer Telefonzelle. Am "Gleis 17" am S-Bahnhof Grunewald steht die "Bücherboxx". Darin: Lauter Bücher zum Thema Drittes Reich und Nationalsozialismus. Wer ein Buch mitbringt, der kann sich ein anderes dafür herausnehmen.

© Thilo Rückeis

Saubere Sache in Charlottenburg-Wilmersdorf: Eine Telefonzelle, die verbindet

Am S-Bahnhof Grunewald soll die „Bücherboxx“ gestrichen und neu gestaltet werden. Dazu lesen an beiden Aktionstagen Künstler und Anwohner in einem Zelt zum Thema Nationalsozialismus und erzählen über den Kiez.

Es ist ein Ort der Aufklärung und des Zusammenkommens, nur wenige Schritte neben dem „Gleis 17“, dem Mahnmal am S-Bahnhof Grunewald, wo zwischen 1941 und 1945 rund 55 000 Berliner Juden in die Lager der Nazis abtransportiert wurden. Am Südausgang des Bahnhofs steht die „Bücherboxx“, eine bunte Telefonzelle. Darin: Lauter Bücher zu den Themen Drittes Reich, Rassismus, jüdisches Leben. An den beiden „Saubere Sache“-Aktionstagen wollen Anwohner die Zelle und den winzigen Platz drumherum verschönern, und Künstler wollen aus den Büchern vorlesen.

Das Prinzip der Bücherboxx ist einfach: Ein zum Thema passendes Buch bringen, ein anderes mitnehmen. Die bunte Telefonzelle ist eine öffentliche Straßenbibliothek, die ohne Leihschein und -fristen auskommt. „Es soll wieder mehr gelesen werden. Vor allem die jungen Leute, die es durch die elektronischen Medien verlernt haben“, sagt Konrad Kutt.

Kutt ist der Erfinder der Bücherboxx, er wohnt wenige hundert Meter die Straße runter. Die Idee kam dem Pensionär vor sieben Jahren, als er noch beim Bundesinstitut für Berufsbildung arbeitete. Inzwischen ist das Projekt mehrfach ausgezeichnet worden. Für den Ausbau sind stets Auszubildende oder Schüler zuständig. Mittlerweile stehen Bücherboxxen am Gleis 17, am Földerichplatz in der Spandauer Wilhelmstadt, am Generationenhaus Phoenix in Zehlendorf, am Centre Francais in Wedding, am Mierendorffplatz, an der Marcel-Breuer-Schule, sogar in einer Schule im französischen Poissy. Die Idee will Kutt zu einem bundesweiten Projekt ausbauen, die Telekom will dazu alte Zellen spenden.

Am Gleis 17 ist Kutt mit dem Zustand des Standortes unzufrieden. „Eine Sandwüste“, sagt er. Der Erdboden des kleinen Eckbereiches ist uneben, Steine gucken heraus, Leute lassen ihren Müll liegen. Am Freitag von 10 bis 14 Uhr wollen Auszubildende der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen dem Telefonzellendach einen neuen Anstrich geben und die die Bücherboxx umrundende Bank schleifen und lasieren. Gartenbau-Azubis des Bezirks legen den Grundstein für die Neugestaltung des kleinen Eckbereiches, die dann im Herbst beendet werden könnte.

Der Entwurf stammt aus einem Kreativwettbewerb von angehenden Garten- und Landschaftsbauern der Peter-Lenné-Schule. Die Bücherbox wird in die Mitte des Eckbereiches versetzt und von zwei neuen Bänken flankiert. Die Pflasterung stellt das Grünflächenamt, zwei historische Papierkörbe die Stadtreinigung BSR. „Wir erhoffen uns einen größeren Zusammenhalt im Kiez und mehr Engagement für die Bücherboxx“, sagt Kutt über die Aktion.

An beiden Tagen lesen Künstler und Anwohner in einem Zelt zum Thema Nationalsozialismus und erzählen über den Kiez. Freitags um 14 Uhr spricht Zeitzeugin Katharina Ehrlicher, jeweils stündlich folgen ihr Pastorin Helga Frisch, Puppenspieler Ulli Treu und Schriftstellerin Ina-Alexandra von Trotha. Am Sonnabend lesen ab 12 Uhr Schauspielerin Jenny Schily, Helga Frisch, Helus Hercygier, Tatjana Blacher, der Barde Ralph und Gabriele Kutt.

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