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Gemeinsame Sache in Mitte 2017: Vom Spreeschwimmen und Unkrautrupfen

Ein verwildertes Mahnmal in Mitte und ein offenes Ohr beim Aktionstag Gemeinsame Sache.

Ikarus oder der Traum vom sauberen Jugendclub

Es wird gefegt, gewischt, geputzt: Die 6b der Grundschule Brandenburger Tor hat sich für den Aktionstag am Freitag das Jugendzentrum Ikarus vorgenommen, das nebenan auf der Wilhelmstraße liegt.

"Wir sind oft nach der Schule hier", sagt die elfjährige Nicoletta. Mit ihren zwei Freundinnen putzt sie die Fenster im Tanzraum. "Man kann hier nachmittags tanzen, Musik machen oder kochen", zählt Safina auf. "Und Freitag kann man Filme gucken", ergänzt Elina

"Wir nutzen den Tag, um mit den Kindern zu sprechen, wie man Müll vermeidet und seine Umgebung sauber hält", sagt Annemarie Tromm, Erzieherin der Klasse. Unter dem Motto "Wir säubern unsere Umwelt - Aktion für ein schönes Berlin" putzten die Schüler gemeinsam Schule und Umgebung.

Unkraut rupfen für die Erinnerung

Die sechste Klasse der Friedensburg-Oberschule aus Charlottenburg rupfte am Freitag kiloweise Unkraut im Parlament der Bäume in Mitte. Hier, wo früher die Mauer entlangging, hat der Aktionskünstler Ben Wagin 1990 ein Mahnmahl für die Mauertoten des Kalten Krieges errichtet.

Die fleißigen Helfer vom Jugendclub Ikarus in Mitte.
Die fleißigen Helfer vom Jugendclub Ikarus in Mitte.

© Helke Ellersiek

Der verwilderte Garten wird am Freitag aufgeräumt, damit am Samstag Blumenzwiebeln gesetzt und mit Immergrün das Wort "Tote" gepflanzt werden kann. "Ich bin begeistert, ich habe die Kinder noch nie so arbeiten sehen", sagt Klassenlehrer Pagenkopf.

Das Denkmal für die Mauertoten von Ben Wagin.
Das Denkmal für die Mauertoten von Ben Wagin.

© Helke Ellersiek

Auch der mittlerweile 90-jährige Ben Wagin ist hier. Er findet es gut, dass sich Schulklassen für diesen Ort engagieren. Besonders langfristige Kooperationen würden dabei helfen, die Wirklichkeit des Kalten Krieges auch den nachfolgenden Generationen in Erinnerung zu halten.

Im Nieselregen den Innenhof verschönern

Im Kreativhaus auf der Fischerinsel in Mitte gab es gleich mehrere Projekte zum Aktionstag. Freiwillige haben sich den großen Innenhof des Bürgerzentrums vorgeknöpft: Das große Baumhaus musste wetterfest gemacht, Bänke mit Zementblöcken im Boden befestigt werden.

Für das Pädagogische Tanzzentrum im Haus schraubten Helfer eine neue Bühne zusammen. Das Wetter erschwerte die Plänen für einen Neuanstrich des Baumhauses zunächst.

Schülerinnen der Friedensburg-Oberschule aus Charlottenburg pflanzen Immergrün in Form des Wortes "Tote"
Schülerinnen der Friedensburg-Oberschule aus Charlottenburg pflanzen Immergrün in Form des Wortes "Tote"

© Helke Ellersiek

Das bremste die Energie der Helfer aber nicht: Das Beet drumherum ließ sich auch bei Nieselregen umgraben.

"Gerade wenn solche größeren Arbeiten anfallen, zu denen man im Alltag nicht kommt, sind wir dankbar für die viele Hilfe" sagte Freiwilligenkoordinatorin Franziska Frericks.

Die Spree im Mitte schwimmbarer machen

Schwimmen im Spreekanal

Sie wollen einmal am Tag 840 Meter Spreewasser austauschen: Beim Vereinsfest von Flussbad Berlin feiern die Mitglieder an der Friedrichsgracht in Mitte direkt neben ihrem 40 Meter langen Kahn, der zum Wasserfilter umgebaut wurde.

"Zwei Abschnitte arbeiten mit Pflanzen, zwei mit Lava. Wir beobachten, wie sich das auf die Sauberkeit des Wassers auswirkt", erklärt Susanne Bernstein vom Verein.

"Der Spreekanal ist seit 100 Jahren praktisch arbeitslos", sagt Vereinsgründer Jan Edler. "Wir wollen den Seitenarm der Spree wieder nutzbar für die Anwohner machen."

Seit 25 Jahren gibt es die Idee, seit fünf den Verein mit rund 350 Mitgliedern. Auch die Jahrestage feierte der Verein beim Sommerfest am Freitag.

Senioren helfen Senioren

Wer beim Seniorentelefon in der Wallstraße arbeitet, braucht ein offenes Ohr. "Ungefähr bei jedem zweiten Klingeln rufen ältere Leute an, die vor allem einsam sind", sagt Annemarie Petereit.

Seit sechs Jahren nimmt sie neben zehn weiteren Ehrenamtlichen vom Humanistischen Verband Deutschland (HVD) Anrufe von Senioren entgegen.

Das Seniorentelefon ist dazu gedacht, Ansprechpartner zu vermitteln: "Hilfe zur Selbsthilfe, das ist unser Auftrag", sagt Anita Weise, die seit zehn Jahren dabei ist.

Ein Freiwilliger streicht die Bühne am Kreativhaus.
Ein Freiwilliger streicht die Bühne am Kreativhaus.

© Helke Ellersiek

Am Aktionstag warb der Verein mit einem Tag der offenen Tür für "Nachwuchs", also Senioren, die ehrenamtlich mitarbeiten wollen. "Dann könnten wir unsere Sprechzeiten um ein paar Stunden verlängern", hofft Weise.

Gegen den Bechermüllberg

460.000 Coffee-to-go-Becher verbrauchen die Berliner - jeden Tag. Dagegen hat die Deutsche Umwelthilfe am Aktionstag ein Mehrpfandsystem vorgestellt.

Über 50 Cafés in Berlin machen mit, sie verkaufen ihren Kaffee für unterwegs in hellgrünen und hellbraunen Mehrwegbechern von reCup. Wer seinen Kaffee ausgetrunken hat, kann den Becher dann bei den teilnehmenden Cafès zurückgeben und bekommt seinen Euro Pfand wieder.

Nach durchschnittlich 15 Minuten landen Plastikbecher im Müll oder gar in der Umwelt, sagt die Vizechefin der Umwelthilfe, Barbara Metz: "Dabei kann die Plastikinnenbeschichtung der Becher am Ende sogar als Mikroplastik in den Meeren landen.“ Sie plädiert für einen Aufschlag von 20 Cent für Kaffee im Wegwerfbecher.

Gemeinschaft in Gesundbrunnen, Blumen im Wedding

Die Haltestelle sucht eine neue Bleibe

Einen sicheren Ort, Essen und Trinken, Gemeinschaft und im Winter auch zehn Schlafplätze – all das bietet seit 20 Jahren Evas Haltestelle wohnungslosen Frauen.

Das Thema findet nur wenig Anerkennung in der Öffentlichkeit. „Jedes Jahr stellen wir beim Senat Finanzierungsanträge – bisher vergeblich“, sagt Claudia Peiter.

Die Sozialarbeiterin baut auf die Unterstützung von 20 Ehrenamtlichen. Ohne die ließe sich die durch Spenden finanzierte Tageseinrichtung nicht halten. Das Alter der Frauen reicht von Mitte 20 bis über 70.

„Wir wollen ihnen ein besseres Leben ermöglichen – dazu gehört aber auch, dass jede davon eigene Vorstellungen hat“, sagt Peiter. Umfassende Beratung und künstlerische Angebote gehören zum Programm.

Helferinnen sind immer willkommen – viel wichtiger ist aber, bis Mai 2018 eine neue Bleibe zu finden. In der Bornemannstraße wurde ihnen nämlich gekündigt.

Im Wedding sprießen nun Lilien

Wo Unkraut spross, wachsen jetzt Maiglöckchen, Hibiskus, Schwertlilien und Zwiebeln. Die Kornelius-Kirchengemeinde in Wedding hat zum Aktionstag eines ihrer Außenbeete aufgehübscht.

Die Aufbauhelfer fürs Sommerfest von Flussbad trotzen dem Wetter
Die Aufbauhelfer fürs Sommerfest von Flussbad trotzen dem Wetter

© Helke Ellersiek

Auch die Nachbarn können sich jetzt daran erfreuen. Andrea Delitz war für die Aktion verantwortlich: „Fast das gesamte Gemeindeleben ist bei uns ehrenamtlich organisiert", sagt sie.

So auch am Freitag. Zu dritt haben Delitz und zwei Helfer sich um die Grünfläche gekümmert.

Seit 1953 steht das Gemeindehaus. Die neue Kirche in der Dubliner Straße kam in den 1970er Jahren dazu. Dort gibt es jetzt nach getaner Arbeit erst mal gemütlich Kaffee und Kuchen.

Blumen für den Bezirk

Auch die drei Beete entlang des Pankeufers erstrahlen in neuem Licht. Seit fünf Jahren kümmert sich das Team vom Tageszentrum Wiese 30 in der Wiesenstraße um die Grünflächen - weil der Bezirk Mitte sich keine Blumen leisten kann.

"Es ist eine Sisyphosarbeit, aber wir machen weiter", sagt Initiatorin Kathrin Schäfer. Oft werden die Blumen nämlich rausgerissen.

Anita Weise (r.) sucht noch Helfer für das Seniorentelefon.
Anita Weise (r.) sucht noch Helfer für das Seniorentelefon.

© Helke Ellersiek

Doch das steht ohnehin nicht im Mittelpunkt. Gemeinsam Kaffee trinken, Anwohner treffen - das ist viel wichtiger für die 15 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die das Tageszentrum betreut.

Helferinnen und Helfer sind herzlich wilkommen - am 20. Oktober werden die Beete am Pankeufer wieder gemeinsam gepflegt. Danach ist Winterpause, im April geht es weiter. Hoffentlich stehen die frischen Begonien dann noch.

Putzen wie Bolle und ein Kuchenbasar

Claudia Peiter mit den bunten Gemälden von "Evas Haltestelle" im Gesundbrunnen.
Claudia Peiter mit den bunten Gemälden von "Evas Haltestelle" im Gesundbrunnen.

© Ken Münster

Eine saubere Schule für die Erstklässler

Putzen ist langweilig? Von wegen! Wenn in der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit-West die 400 Schülerinnen und Schüler gemeinsam anpacken, herrscht Bombenstimmung.

Zweimal im Jahr wird wie am Freitag jede Ecke des Schulgeländes von Schmutz und Müll befreit. Für die Einschulung der Erstklässler am Sonnabend ist also alles blitzeblank.

„Manche denken, dass es egal ist. Aber wir wollen uns ja auch wohlfühlen“, sagt Ammara aus der fünften Klasse. Und Klassenkameradin Nazlican fügt hinzu: „Wenn Müll rumliegt, können wir auch nicht spielen“.

Sabine Slepicka ist begeistert: „Es ist eine Menge, aber die Kinder sind hoch motiviert.“ Die Lehrerin für interkulturelle Erziehung hat die gemeinsame Sache initiiert.

Die Berliner Stadtreinigung stellt Besen, Zangen, Müllsäcke und Handschuhe bereit. Letztere dürfen die Kinder sogar behalten – es winkt also eine Belohnung für die harte Arbeit.

Barrierfreie Orte im Soldiner Kiez

Und das trotz Regens: Zu einem Rundgang durch den Soldiner Kiez mit dem Verein Fabrik Osloer Straße kamen viele wackere Teilnehmer.

Dabei ging es nicht nur um den Besuch von interessanten Orten wie das Rosa-Parks-Haus in der Wriezener Straße: Seit 2011 untersucht der Paritätische Wohlfahrtsverband in Zusammenarbeit mit Bezirken und lokalen Vereinen die Bezirke auf deren Grad an Barrierefreiheit und erstellt Broschüren zu barrierefreien „Lieblingsorten“.

Zwei Helferinnen vor den bepflanzten Beeten der Kornelius-Kirchengemeinde in Wedding.
Zwei Helferinnen vor den bepflanzten Beeten der Kornelius-Kirchengemeinde in Wedding.

© Ken Münster

Es gehe allem um die Bedürfnisse behinderter Menschen, "aber unser Vielfaltsbegriff ist breit", erklärt Projektleiter Christian Peth. Ausdrücklich wende man sich auch an andere Gruppen wie etwa einsame Rentner.

Kuchenbasar statt Steuersystem

Im ersten Stock der Gesundheitsakademie der Charité riecht es süß und lecker. Eigentlich ist für die 20 Teilnehmenden des Deutschkurses heute das Steuersystem dran. Doch zwischen 11:00 und 12:00 Uhr ist Pause - Kuchenbasar.

Die Geflüchteten aus neun Ländern verkaufen gegen Spende selbstgemachten Kuchen. Der Erlös geht an die UNO-Flüchtlingshilfe. Sie nehmen Teil an einem einzigartigen Programm: Drei Tage Deutschkurs, zwei Tage Praktikum im Gesundheitswesen.

Viele haben bereits eine Ausbildung. Die 24-jährige Chasline Tezangue aus Kamerun findet die Kuchen lecker, doch klagt: "Um fünf Uhr schon müssen wir fürs Praktikum aufstehen!"

Träger des Programms sind Charité, Vivantes und das BAMF. Den Kuchenbasar möchte man auf jeden Fall wiederholen.

Aus Alt macht Mitte Neu

Kathrin Schäfer begrünt die Beete am Pankeufer in Wedding.
Kathrin Schäfer begrünt die Beete am Pankeufer in Wedding.

© Ken Münster

Kerzenständer aus Alltagsgegenständen

Plastikbecher oder Deckel von Flaschen sind nicht immer Müll. Manchmal kann man daraus auch noch etwas Schönes herstellen.

Drei Jungs von der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit-West.
Drei Jungs von der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit-West.

© Ken Münster

Das hat auch die Upcycling-Aktion der Wohnungsbaugenossenschaft Berlin (WBM) gezeigt. Im Heizhaus der Mitarbeiteroase haben am Freitag über den Tag hinweg etwa 70 Freiwillige gemeinsam mit Geflüchteten Wohnaccessoires aus Alltagsgegenständen gebastelt - zum Beispiel eine Menge Kerzenständer.

Die Bastelutensilien hatten die Mitarbeiter vorher gesammelt. Am Ende durften die Helfer die Werke mitnehmen oder verschenken.

Kinder nähen selber

Die Teilnehmer der Soldiner Kieztour am Rosa-Parks-Haus.
Die Teilnehmer der Soldiner Kieztour am Rosa-Parks-Haus.

© Markus Hüttmann

„Ich habe Recht, ein Kind zu sein“. So heißt das von dem Nachbarschaftsverein „Mensch im Mittelpunkt“ ins Leben gerufene Projekt, das Kinder von größtenteils suchtkranken Eltern aus dem Soldiner Kiez und Umgebung betreut und ihnen ein Stück Orientierung im Leben bietet.

Durch das Projekt haben die Kinder aus dem Kiez Räume zu spielen und auch zu lernen. Das war Ursprung der Idee, die das Team um Ivana Kuzzmanovic-Naefe für den Aktionstag für ein Schönes Berlin hatte: Bei der Aktion „Aus Alt mach Neu“ sollten aus alten, verschlissenen Klamotten neue Kleidung entstehen.

An handwerklicher Arbeit interessierte Mädchen waren dazu eingeladen, am Samstag in den Räumen des Vereins ihre Fertigkeiten unter anderem im Stricken und Nähen zu üben.

Leben im alten Stadtschloss

Elke Fenster rupft behutsam Unkraut aus. Zweimal im Jahr pflegt die Geschäftsführerin des Stadtschlosses Moabit zusammen mit Ehrenamtlichen die Blumenbeete. Es regnet zwar, doch der Stimmung tut das keinen Abbruch.

Das Nachbarschaftshaus bietet ein buntes Programm: „Stadtschloss Kids“ heißt das Freizeitangebot für Jugendliche, dazu kommt eine Kiezbibliothek und eine umfangreiche Sozial- und Pflegeberatung. Auch Sprach- und Computerkurse werden regelmäßig angeboten.

Was das Stadtschloss besonders macht? „Bei uns gibt es keinen Zwang. Die Leuten können einfach dazukommen“, sagt Fenster.

Auf dem Gelände steht auch eine Kita. Das Zentrum in der Rostocker Straße wird getragen vom Verein Moabiter Ratschlag, der das Ehrenamt im Stadtteil bündelt. Neben dem Nachmittagsprogramm gibt es dort wochentags auch ein kostengünstiges Mittagessen.

Samstags machen wir was uns Spaß macht

Fred Kutzner weist auf eine gefährliche Kante für Rollstuhlfahrer im Soldiner Kiez hin.
Fred Kutzner weist auf eine gefährliche Kante für Rollstuhlfahrer im Soldiner Kiez hin.

© Markus Hüttmann

Im Dohnagestell 10 wirft der erste Stock an diesem verregneten Samstag ein gemütliches Licht auf die Einfahrt. Zwischen Fachwerkbalken sind zwei große Holztische zusammengeschoben, ein halb fertiges Puzzle liegt aus.

Jeden Samstag zwischen 14 und 18 Uhr kommen hier Ehrenamtliche der Lebenshilfe und Menschen mit Behinderungen zusammen.

Heute ist es eine kleine Runde – die erste nach den Ferien. „Es geht darum, zusammen Freizeit zu verbringen. Nicht darum, den Leuten zu sagen, was sie wollen“, sagt Fabian Schmidt.

Sabrina, die ganz in der Nähe wohnt, ist sich da sicher. Sie fragt: „Können wir mal wieder in die Bowlinghalle?“

Auch Ausflüge stehen nämlich auf dem Programm. Schmidt ist seit 2009 dabei. „Wir sind mehr als nur Betreuer“, sagt er. Wer Freundschaften knüpfen will, ist im Dohnagestell am Samstag dafür herzlich willkommen.

Helke Ellersiek, Markus Hüttmann, Ken Münster

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