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Schauplatz BERLIN (Rätsel 18): Die verwandelte Rollschuhbahn

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2843 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen jeweils herausfinden, ob Sie den Ort, die Person beziehungsweise das Ereignis kennen. Rätseln Sie mit bei Folge 18!

Diese quadratische Bodenplatte ist schwer zu finden. Der Hof zwischen den neuen Wohnhäusern, auf dem sie an einen verschwundenen Saal erinnert, ist Privatterrain. Dass sich an dieser ruhigen Straße einst das Großstadtpublikum zu Tausenden versammelte: kaum zu glauben. Nur ein hoher Torbogen, durch den man den Hof betritt, lässt ahnen, dass hier mal was Besonderes war.

Eine Eisenbahngesellschaft hatte seinerzeit, nach der Errichtung ihres prächtigen Bahnhofs, das angrenzende Gelände erworben, drei Straßen gebaut. An einer wurde in den 1870er Jahren, umgeben von einem Häuserblock, eine offene Rollschuhbahn eingerichtet, samt Restauration und Bühne. Umbauten folgen. Der innere Rundlauf wird überdacht, Rauchsalons, Billardzimmer kommen hinzu. Ausstellungen, Theater, Oper gastieren. Als das beste Orchester der Stadt sich von seinem Leiter trennt, entdeckt ein Agent, der diesen Klangkörper groß machen will, den Vergnügungsort als Spielstätte. Die Orchesterbühne liegt seitlich – daneben wird schnabuliert. Für eine Gartenbauschau installieren Technikpioniere aus der Nachbarschaft elektrisches Licht und Generatoren; bald erhält die Anlage Bogenlampen. Das Skatingunternehmen macht Pleite, sein Geschäftsführer ersteigert den Komplex. Neues Eingangsgebäude. Gartenwandelgänge. Adelige VIPs dürfen hier wegen Brandgefahr nur mit Sondererlaubnis verkehren.

Vor 125 Jahren begann der Architekt des Prachtbahnhofs für das Areal ein weiteres Aufwertungsprojekt. Eine erhöhte Kassettendecke mit schallschluckenden Gipsornamenten und Oberlichtern wird eingebaut. Die Bühne für das Orchester wird zur Schmalseite verlegt. An den Wänden Medaillons mit Komponistenporträts. Über 2000 Plätze! Spitzenakustik, zwei Sekunden Nachhall! Außer den Musikfesten finden Faschingsbälle, Vorträge, Passionsspiele, Kundenveranstaltungen statt. Die Kapazitätsprobleme bleiben.

Zehn Jahre später wird ein Teil des Gartens für ein Foyer überbaut; man expandiert aufs Nachbargrundstück, dort entsteht ein weiterer Saal für über 1000 Besucher. Lichtspielprojektoren werden montiert. Eine renommierte Musikschule bezieht angrenzende Wohnungen. Die Crème der Dirigenten steigert das Image der Lokalität. Mit dem Tod des Besitzers, 1930, übernimmt eine Erbengemeinschaft, zu der zwei Juden gehören, die Immobilie. Nach 1933, bis zur Arisierung, gibt es Boykottaufrufe. Ein Bombentreffer beendet die glorreiche Geschichte des Musentempels.

Wie hieß das Haus? Wo liegt die Tafel? Auflösung mittwochs unter www.tagesspiegel.de

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