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+Schauplatz BERLIN Wer?  Wo? Wann? – Das Tafelrätsel: Die erste Frau

Dass sie zuletzt nicht als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin aufgestellt wurde, lag an ihrer Partei, an den Männern. Viele Verehrer hätten sie gern an der Spitze gesehen.

Dass sie zuletzt nicht als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin aufgestellt wurde, lag an ihrer Partei, an den Männern. Viele Verehrer hätten sie gern an der Spitze gesehen.

Geboren wurde sie als jüngstes von vier Kindern in Norddeutschland. Vater Bauarbeiter, Mutter Gemüsefrau. Realschulbesuch, Gewerbeschule für Mädchen, Stenofräulein: ein schwieriger Start. Als Versicherungssekretärin lernt sie Fremdsprachen. Wird Pazifistin, geht in die Politik. Für Frauen ist das damals exotisch. Ihre Felder sind der Mutterschutz, das Kindeswohl, die Gleichstellung unehelicher Kinder, die Situation der Prostituierten. Männliche Kollegen, denen dieses weibliche Engagement aufstößt, nennen ihresgleichen „Sozialtanten“. Der Spitzenpolitiker, mit dem sie, die Ledige, vertraut kooperiert, ist verheiratet: In ihrer Partei, die sich fortschrittlich gibt, wird darüber heftig getratscht. Als die Nazis zur Macht kommen, wird sie, mittlerweile Politik-Dozentin, arbeitslos, ihre Wohnung mehrfach durchsucht. Sie jobbt in einer Hamburger Bäckerei, wird boykottiert, weil sie den Hitlergruß verweigert. Kommt für eine Stelle bei einer Baufirma wieder nach Berlin.

Nach dem Ende der Nazi-Diktatur schlägt ihre Stunde. Sie kümmert sich um Lebensmittel und Brennstoff für Berlin, als die Teilung der Stadt sich manifestiert. Später wird sie von dem Moment sprechen, in dem ihr Leben „einen vollkommen anderen Verlauf“ genommen habe. Aus einem Hamburger Krankenhaus schreibt sie, ihr Arzt halte sie für ein medizinisches Wunder, da sie in Berlin längst hätte umfallen müssen. Dort zeigt sich ihre Popularität bei einer Kundgebung mit Polit-Prominenz: Sprechchöre rufen sie, die als Rednerin nicht vorgesehen war, auf den Balkon nach vorn, Tränen laufen ihr übers Gesicht.

Weil sie zur Generation jener Pionierinnen gehört, die „als erste Frau“ dieses und jenes erreichen, gilt auch eine Ehrung, die sie kurz vor dem Tod annimmt, als Berliner Gender-Premiere. Eine andere, postum nach ihr benannte Auszeichnung gerät Jahrzehnte später ins Gerede: Wegen der Verleihung des Preises an eine Ostberlinerin gibt eine Westberlinerin ihre frühere Ehrung zurück.

Ihre eigene Würdigung durch eine Kupferplatte, die seit über 50 Jahren ihren letzten Wohnsitz markiert, ist neben dem Eingang eines Doppelhäuschens zu finden, an einer ungemütlichen Durchgangsstraße. Rotes Schild am Garagentor: Warnung vor dem Hund. Stadtautobahn in Sichtweite. Hier sucht niemand eine Gedenktafel. Thomas Lackmann

Wer war’s? Wo finden Sie die Tafel? Auflösung nächsten Sonntag hier an gleicher Stelle oder bereits am Mittwoch auf unserer Internetseite: www.tagesspiegel.de/schauplatz. Auflösung der Rätsels vom 2. Dezember: Die Tischtennismeisterin, Malerin, Autorin, Schauspielerin und Emigrantin, die sich in einem ihrer Romane über den Zusammenhang von Glück und Schönheit Gedanken machte, war Lilli Palmer (1914–1886). In Westend, am Haus Hölderlinstraße 11, das sie bis 1932 bewohnte, hängt ihre Gedenktafel.

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