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Schausteller am Brandenburger Tor: Kunst? Gewerbe? Mafia?

Der Bezirk Mitte verbietet Schausteller auf dem Pariser Platz. Bald soll die historische Innenstadt komplett frei von als DDR-Grenzsoldaten oder Bären verkleideten Künstlern sein. Die wehren sich aber und wollen sogar klagen.

Der dauerlächelnde Bär trägt eine Schärpe mit der Aufschrift „Berlin 2014“ um sein braunes Fell. Humphrey Bogart kommt mit dem typischen Fedora-Hut daher. Fragen wehren sie ab: „Ich sage nichts ohne meinen Anwalt.“ Eigentlich wollen die Schausteller rund um das Brandenburger Tor gute Laune verbreiten und witzige Touristenmotive bieten, doch seitdem sie offiziell nicht mehr erwünscht sind, bietet sich ein absurdes Schauspiel. Die Bären-, Bogarts- und Soldatendarsteller verstecken sich vor echten Polizisten, die sie am liebsten ganz verscheuchen würden. Dem Bezirk Mitte waren die verkleideten Menschen vor dem Brandenburger Tor schon seit Langem ein Ärgernis. Nun hat die Verwaltung ernst gemacht: Keine Micky Maus, keine Lady Liberty, kein Bär, kein Bogart mehr auf dem Pariser Platz. Eine kleine Umfrage unter den Touristen am Brandenburger Tor ergibt, dass solche Angebote aber gut ankommen. Die Hälfte der Besucher lässt die Abwesenheit von kostümierten Schaustellern zwar kalt, die andere Hälfte trauert ihnen aber nach. „Schade“, kommentiert eine Touristin aus den USA knapp.

Ein Versteckspiel mit der Polizei

Schon kurz nach der Wende wurden solche Aktivitäten in der historischen Innenstadt grundsätzlich verboten, der Bezirk setzte das Verbot aber nur halbherzig durch. In der vergangenen Woche wurde das Vorgehen wie berichtet per Bezirksamtsbeschluss verschärft. Für Baustadtrat Carsten Spallek von der CDU stellen Bär und Bogart ein illegales Gewerbe und keine Kunst dar. Am Wochenende erteilten Polizisten erste Platzverweise. Kurzerhand wichen die Schausteller auf den Simsonweg im Tiergarten aus. Die Polizei will sich demnächst mit dem Ordnungsamt abstimmen, wie das Verbot auch über den Pariser Platz hinaus durchgesetzt werden kann. Wenn mal kein Polizeibeamter in der Nähe ist, umarmen Bär und Bogart kleine und große Touristen und zeigen mit dem Daumen nach oben.

Widerstand gegen das Verbot

Der typische Berlinbesucher begibt sich nach einem Foto vor dem Brandenburger Tor zum Potsdamer Platz – und macht auf dem Weg dahin noch einen Schnappschuss am Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. An den kaugummibeklebten Mauerresten vor dem Eingang zum Bahnhof am Potsdamer Platz grüßt dann der Klassiker unter den Schaustellern: der DDR-Grenzpolizist. Anders als im kollektiven Gedächtnis lächelt dieser junge Herr und lädt zu einem Erinnerungsfoto ein. Auch er will nicht ohne Anwalt sprechen und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Politiker wollten ihn vertreiben, Polizisten verhauen und die Presse sei auch gegen die Kleinkünstler, klagt er. Sein Hauptargument: Er betreibe kein Gewerbe. Es sei Straßenkunst, was er den Touristen biete, und die Bezahlung beruhe auf absoluter Freiwilligkeit. Er möchte sich wehren, gegen „die Repressalien des Bezirks und der Polizei“. Er sei deswegen schon in Kontakt mit einem Rechtsanwalt. Dann lächelt er in eine Kamera und schwenkt seine DDR-Fahne. Die nächste Station auf der Touristenroute liegt in Kreuzberg.

Legale Stempel nur in Kreuzberg

Am Checkpoint Charlie möchte der kleine Uri aus Israel durch. Er salutiert. Verlangt nach einem Stempel in seinen Pass und einem Foto mit den US-Grenzsoldaten. Der Spaß kostet eine Spende: zwei Euro. Uris Mutter zückt ihren Geldbeutel und freut sich für ihren Sohn. Was in Mitte illegal ist, funktioniert im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wunderbar. Für den Bereich Checkpoint Charlie hat der Bezirk der Agentur „Dance Factory“ eine Genehmigung erteilt. „Selbst McDonald’s wollte anfangs nicht an den Checkpoint – da war ja nichts, bis wir kamen“, sagt Agenturmanager Tom Luszeit. Auf diesem Abschnitt der Friedrichstraße sind viele Touristen, und die wollen bespaßt werden. Luszeit freut sich, dass die „Schaustellermafia“ vor dem Brandenburger Tor nun verboten ist. Bär und Bogart hätten dort ja nur sein Geschäftsmodell kopiert.

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