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Scheinbarer Erfolg: Berliner Klimabilanz: Zu grün, um wahr zu sein

Die Mitteilung klang sensationell: In nur einem Jahr sei der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids in Berlin um fast elf Prozent gesunken, teilte die Umweltverwaltung vor einigen Tagen mit. Ein Erfolg? Leider nur scheinbar.

Die Umweltverwaltung berief sich auf die gerade veröffentlichte Energie- und CO2-Bilanz des Statistikamtes für 2007. Der zufolge lag der Berliner CO2-Ausstoß um 35 Prozent unter dem von 1990 – dem weltweit anerkannten Bezugsjahr für alle Klimaschutzziele. Das lautet für Berlin: minus 40 Prozent bis 2020. Was allenthalben als gewaltiger Kraftakt galt, schien damit in greifbare Nähe gerückt, ohne dass die Berliner auf Gewohnheiten wie Autofahren oder Fleischkonsum verzichtet hätten.

Dass die Auswertung erst jetzt vorliegt, kommt daher, dass der CO2-Ausstoß nicht direkt gemessen werden kann, sondern anhand der verbrauchten Energiemengen aufwändig berechnet werden muss.

Die Umweltverwaltung selbst bezeichnete den Befund zwar als „besonders aussagekräftig“, aber konnte ihn auf Nachfrage im Einzelnen nicht erklären. Das Statistikamt dagegen schon: Wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent zum Jahresbeginn 2007 hatten die Berliner noch im alten Jahr ihre Heizöltanks gefüllt: Minus 31 Prozent Mineralöle gegenüber dem Vorjahr weist die Statistik aus. Von 2005 zu 2006 steht an derselben Stelle noch ein Plus von acht Prozent. Dank zweier milder Winter reichte der 2006 getankte Ölvorrat bei manchen bis ins übernächste Jahr. „Für 2008 können wir bereits wieder eine Tendenz zur Normalisierung absehen“, berichtet Referatsleiter Andreas Techen vom Statistikamt.

Wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) und SPD- Fraktionschef Michael Müller am Mittwoch nächster Woche auf der „Berliner Klimaschutzkonferenz“ im Energieforum am Schöneberger Gasometer sprechen, sollten sie diesen scheinbaren Erfolg besser nicht erwähnen, denn ihm wird unvermeidlich ein Rückschlag folgen. Echte Fortschritte macht Berlin nur im „Umwandlungssektor“, der vor allem die sukzessive modernisierten Kraftwerke von Vattenfall umfasst und vom geringeren Heizbedarf modernisierter Gebäude profitiert. Dagegen nehmen die Emissionen des Verkehrs kaum ab. Zwar betraf die Mehrwertsteuererhöhung 2007 auch Benzin und Diesel, aber im Auto reicht eine Tankfüllung halt kein ganzes Jahr. Auch in anderen Bereichen steht Berlin nicht wirklich gut da: Nur 2,3 Prozent des Energieverbrauchs stammen aus erneuerbaren Quellen – nicht einmal halb so viel wie im bundesweiten Schnitt. Beim Strom liegt der Anteil in Berlin sogar nur bei einem Prozent. Der größte Teil, nämlich 60 Prozent, wird aus Kohle erzeugt. Und was die Berliner Kraftwerke nicht schaffen, liefern die aus Brandenburg zu, die zu den klimaschädlichsten in ganz Europa gehören. Sie verhageln den Brandenburgern auch die Pro-Kopf-Bilanz: Mit 23 Tonnen CO2 pro Jahr sind sie vier Mal so große Klimasünder wie die Durchschnittsberliner. Statistisch zumindest.

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