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Berlin: Schieberbande vor Gericht, weil sie 61 gestohlene Autos verkaufte

Unter dem dünnen Stoff seines T-Shirts spannen sich die Muskeln. Der Mann hat das breite Kreuz des Kraftsportlers und strahlt die Sanftheit eines Riesen aus.

Unter dem dünnen Stoff seines T-Shirts spannen sich die Muskeln. Der Mann hat das breite Kreuz des Kraftsportlers und strahlt die Sanftheit eines Riesen aus. Er steht auf, reckt sich und geht von der Anklagebank zum Zeugenstand. Ja, der Staatsanwalt hat 40 Minuten gebraucht, um die Anklageschrift zu verlesen, und 40 Minuten können eine ziemlich lange Zeit sein. Es geht im Saal 621 des Kriminalgerichts Moabit um 60 Pkw und einen Lkw. Eine Autoschieberbande aus fünf Männern und einer Frau hat die Wagen von Autoknackern "übernommen" und auf allen möglichen Plätzen zwischen Neukölln und Marzahn an gutgläubige Kunden verkauft. Falsche Nummernschilder und gefälschte Kfz-Papiere ließen die Autos als völlig in Ordnung erscheinen.

Einer der Angeklagten hat seinen Lebensunterhalt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bereits seit 1994 mit dem Verkauf gestohlener Autos bestritten. Als richtiges Geschäft mit Arbeitsteilung und Spezialisierung hat die Sache aber erst seit 1995 funktioniert. Der Ankläger schätzt, dass der Wert der gestohlenen Autos die Eine-Million-Marke streift.

Die Taten werden aus der Anklage deutlich. Hier einige Beispiele: Im Oktober 1995 verschwand ein Audi 80 aus Luckenwalde. Der Wagen wurde Ende Januar 1996 für 21 000 Mark in Berlin verkauft. Ein im Januar 1997 in Hohenschönhausen entwendeter 3-er BMW wechselte Mitte Februar 1997 für 20 000 Mark den Eigentümer. Im November 1997 ließ ein Autoknacker in Adlershof einen Mercedes-LKW 208 D mitgehen, der Lieferwagen ging Anfang Dezember für 19 000 Mark an einen neuen Nutzer. In der Anklageschrift sind zahlreiche weitere Wagen der Marken Opel, VW, Seat, Suzuki und Chrysler verzeichnet.

Die Bande sitzt komplett auf der Anklagebank, die fünf angeklagten Männer sind aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden. Ihre mutmaßliche Komplizin, eine 40-jährige medizinische Dokumentationsassistentin, ist auf freiem Fuß. Die Frau hat es mit Dokumenten: In einem Aktenkoffer hat sie leere Vordrucke für die Kfz-Briefe und die nötigsten Fälschungsutensilien aufbewahrt. Neben ihr sitzen: ein arbeitsloser Metallurg aus Hellersdorf, ein arbeitsloser Forstwirt aus Hoppegarten, ein arbeitsloser Fleischer aus Köpenick und ein Bauarbeiter aus Wartenberg. Der Muskelmann im Zeugenstand hat als "Verkäufer" mitgemacht und ist von Beruf selbstständiger Bauklempner. Mit einem gefälschten Führerschein hat er seit 1995 Dutzende von Pkw an arglose Berliner verkauft. "Ich bin hin wie ein Schauspieler und sagte, dass ich Frank Grund bin, nach zwei Minuten war ich wieder weg", sagt er und ordnet seine Gage im Bereich zwischen 2500 und 4000 Mark pro Auto ein. Das Geld habe ihm der Forstwirt zugeteilt. 1996 gab es Streit, der jähzornige Förster schoss mit einer Pistole um sich. "Er wollte mich nicht treffen, die Kugel ging durch die Couch in den Fußboden", sagt der Riese.Fortsetzung am Freitag

brun

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