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Berlin: Schiebung

Ab und zu wird der Drang übermächtig, neue, noch unerkannte OstWest-Unterschiede aufzuspüren, vor allem in Berlin. Denn bald sind keine mehr da, und wovon sollen die Umfrageinstitute dann leben?

Ab und zu wird der Drang übermächtig, neue, noch unerkannte OstWest-Unterschiede aufzuspüren, vor allem in Berlin. Denn bald sind keine mehr da, und wovon sollen die Umfrageinstitute dann leben? Halten wir also fest, dass die Kollegen von „Zeit Wissen“ eine Kluft, ja: einen Grand Canyon von Unterschied aufgetan haben. Fast 79 Prozent der Ost-Berliner schieben Unangenehmes so weit wie möglich hinaus, aber nur 39 Prozent der Westler.

Der Fachmann spricht dabei übrigens von „Prokrastinatoren“, was nach einer hässlichen, nur durch Bestrahlung heilbaren Krankheit klingt. Aber warum ist der Unterschied so groß? Ist der gelernte West-Kapitalist darin geübt, Chancen zu ergreifen, während der ehemalige DDR-Bürger immer noch abwartet, ob das Politbüro Stellung nimmt?

Eher nicht. Denn in Bremen, einer Kernstadt des alten Westens, leben sogar 98,5 Prozent notorische Aufschieber. Vermutlich handelt es sich also um eine Berliner Anomalie, die wir von nun an genau beobachten werden. Eines Tages prokrastinieren beide Stadthälften nämlich exakt gleich. Und erst dann ist die innere Einheit Berlins wirklich vollendet.

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