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Berlin: Schinken-Schmuggel

Prozess gegen Justizbeamten und einen Häftling

Lachs- und Parmaschinken schleppte er kiloweise ran. Freude bereiteten auch seine Tüten mit Spargel, Eis oder Currywurst. Oder das duftende Brot, mit dem er für Abwechslung sorgte. Damit fing die Zeit als Lebensmittelbote für Hans-Joachim S. überhaupt erst an. „Immer das gleiche Brot, da bot ich an, mal etwas anderes zu besorgen“, sagt der 58-Jährige. Wäre er für die Nachbarschaft unterwegs gewesen, würde man seine Hilfsbereitschaft loben. Doch S. ist Justizbeamter und schmuggelte für einen Häftling der Justizvollzugsanstalt Moabit. Weil dieser ihn mit Geld belohnt haben soll, stehen beide seit gestern wegen Korruption vor Gericht.

Der Beamte ist ein Mann von alter Schule. Bei Begrüßungen reicht der Mann die Hand und verneigt sich kurz. Seit 20 Jahren ist der Beamte im Dienst. Bis zum Herbst 2003 ohne Beanstandung. Dann ging er „draußen“ einkaufen und brachte Lebensmittel ins Gefängnis, die Insassen in der Anstalt nicht erwerben konnten. „Aus Gefälligkeit“, beteuert S. im Prozess. „Ich bin da naiv rangegangen und kann mir das heute auch nicht mehr erklären.“

Die Richter halten ihm vor: „Man begibt sich in die Hand des Häftlings und wird erpressbar.“ Der Beamte wehrt ab: „Ich hätte mich nie erpressen lassen.“ Die Anklage geht davon aus, dass er die Lebensmittel für den Mitangeklagten Eberhard R. in die JVA schmuggelte. Außerdem soll er einige Briefe des 54-jährigen Häftlings an der Kontrolle vorbeigeleitet und dem damaligen Untersuchungshäftling R. zudem heimlich Telefonate ermöglicht haben. Im Gegenzug habe der inzwischen in einer anderen Justizvollzugsanstalt tätige S. Schmiergeld in Höhe von 450 Euro von dem inzwischen wegen Betruges zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten Designer R. erhalten.

Doch die beiden Angeklagten erzählen eine andere Geschichte. In dieser Schilderung schmuggelte S. zwar ebenfalls Schinken, Brot oder vielleicht auch mal Rasierwasser. Die Waren, die er in die Haftanstalt brachte, seien nicht für R., sondern für den Häftling D. gewesen. „Dieser Mann hat die beiden Angeklagten angeschwärzt, weil er bei beiden Schulden hatte“, sagt ein Anwalt des Wärters. Der gutmütige Beamte habe dabei das Geld für die Einkäufe der Lebensmittel vorgestreckt.

Um bezahlen zu können, habe sich jener Häftling D. auf einen Freundschaftsdienst von Eberhard R. verlassen und um einen Kredit gebeten. Von D. bekam jener nach dieser Version eine Kontonummer. Erst nach einer Überweisung will R. erfahren haben, dass es sich um das Konto des Beamten handelte. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. K. G.

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