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Berlin: Schlaflos im Kempinski

Nach dem Sieg der deutschen Elf feierten die Berliner auf dem Ku’damm durch – und brachten die schwedischen Spieler um die Nachtruhe

Es ist Mittag und endlich lässt sich das Geburtstagskind vor dem WM-Quartier der Nationalmannschaft blicken. „Olli, Glückwunsch!“, ruft ein Mann vor dem Schlosshotel Grunewald. Und Nationalkeeper Oliver Kahn hat nicht nur Geburtstag – er wurde 37 Jahre alt – sondern auch gute Laune und steigt mit seiner dunklen Sonnenbrille auf der Nase noch einmal aus dem Wagen und schreibt Autogramme.

Es ist Tag eins nach dem so wichtigen 1:0-Sieg gegen Polen. In der Nacht sind die populärsten Gäste der Stadt in Berlin gelandet und wurden um 2.15 Uhr von singenden Fans begrüßt. Im Schlosshotel gab es noch einen nächtlichen Imbiss, auch „ein kleines Radler“, wie Nationalspieler Philipp Lahm verriet. Sie hatten Kahn zuvor im Flugzeug ein Ständchen gesungen, aber eine rauschende Party in der Nacht gab es wohl nicht in der Brahmsstraße 10.

„Ich hab noch keinen gesehen heute, weiß nicht, wo die alle sind“, sagt Kahn nur, grinst und verschwindet hinter abgedunkelten Scheiben, irgendwo in der Stadt. Die Nationalmannschaft hatte bis gestern Nachmittag frei. Und immer wieder wurden die Spieler in der Stadt gesehen: Beim Shoppen am Ku’damm, beim Quatschen in Biergärten, beim Eis essen in Prenzlauer Berg und Charlottenburg.

Zur Ruhe kam die Stadt gestern freilich nicht, es ging eher ziemlich aufgeregt zu. Am Abend stand schon das WM-Spiel zwischen Schweden und Paraguay an. Und die Männer mit den gelb-blauen Trikots waren klar in der Überzahl und hatten den gesamten Theodor-Heuss-Platz besetzt. „Wir haben nicht mit so vielen gerechnet“, sagt der Sprecher der schwedischen Botschaft, Gösta Grassman. Rund 47 000 Schweden würden Karten fürs Stadion haben, zudem seien in der Stadt noch einige zehntausend Fans, die ohne Karte angereist sind. „Viele kommen mit dem Auto oder den Billigfliegern und nutzen die WM für einen Berlin-Besuch“, sagt Grassman. Insgesamt dürften 70 000 schwedische Fußballtouristen in Berlin sein. Viele versuchten, noch auf dem Schwarzmarkt Karten zu bekommen.

Doch auch die Deutschen können feiern, das haben die Schweden zu spüren bekommen: Weil die deutschen Fans die halbe Nacht hupend über den Ku’damm fuhren und Raketen in die Luft schossen, konnten die schwedischen Nationalspieler nicht schlafen. Sie wohnen im „Kempinski“, direkt am Ku’damm.

Die deutschen Fans pilgerten auch gestern zum WM-Quartier der Nationalmannschaft in der stillen Grunewalder Seitenstraße. Ein junges Paar aus Schwaben hofft auf den Bundestrainer. Es wohnt nur wenige Kilometer von Klinsmanns Heimat Geislingen entfernt. Hier vor dem Hotel wollen sie nicht weniger als „Zeitgeschichte miterleben“, sagen sie. Bald darauf fährt Jürgen Klinsmann vor , lächelt schüchtern, winkt – und steigt nicht aus.

Immer wieder fahren die Nationalspieler vorbei an den Sicherheitsleuten, die sich an der Hotelpforte postiert haben. Tim Borowski chauffiert seinen Beifahrer Robert Huth etwas schwerfällig aus der Ausfahrt, der große Wendekreis seines Wagens macht ihm wohl Probleme. Ganz anders Timo Hildebrand, der ziemlich schnittig mit quietschenden Reifen auf die Straße schießt. Oder Michael Ballack, der entspannt lächelnd am Steuer eines dicken Jeeps, neben sich Miroslav Klose, an den Fans vorbeifährt.

Das nächste WM-Spiel gegen Ecuador wird am Dienstag im Olympiastadion angepfiffen. Das ist über Schleichwege im Eichkamp in zehn Minuten zu erreichen. Was die Spieler bis dahin machen? Feiern? Sightseeing? Shoppen? Mmmh, sagt Manager Oliver Bierhoff in der Nacht. „Uns ist noch nicht der Gedanke gekommen, auf die Fanmeile zu gehen – aber irgendwann werden wir uns eine Kappe aufsetzen und da mal vorbeifahren.“ AG/hude/lizi

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