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Berlin: Schlag gegen illegalen Anabolikahandel

Größte Razzia seit Jahren: 240 Polizisten durchsuchten 52 Wohnungen und Sportstudios, die meisten davon in Berlin. Anführer der Schmugglerbande in Haft

Der Polizei ist nach einjähriger Ermittlungsarbeit ein großer Schlag gegen den illegalen Handel mit Anabolika gelungen. In einer groß angelegten Durchsuchung von insgesamt 52 Wohnungen und Sportstudios in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Polen stellten die Beamten am Dienstag neben mehreren Autos und 70 000 Euro in bar auch hunderte Packungen Anabolika und Wachstumshormone sicher. Darunter war auch ein stillgelegter BMW in einer Tiefgarage, der als Lager für die heiße Ware diente. Diese Präparate, die zum Beispiel Bodybuilder schlucken, sollen das Muskelwachstum fördern und die Leistungskraft steigern. Sie lösen aber auch teils schwere Nebenwirkungen aus.

Rund 240 Beamte waren an der Razzia, die am Dienstag um 5 Uhr morgens begann, beteiligt. Das Berliner LKA hatte die Leitung der Aktion gemeinsam mit den Zollfahndungsämtern Berlin/Brandenburg und Hannover. Schwerpunkt der Razzia war die Hauptstadt, in der die meisten Objekte durchsucht wurden: 36.

Sogar Beamte der GSG 9, der Antiterror-Spezialtruppe der Bundespolizei, waren im Einsatz, weil die Ermittler mit starker Gegenwehr der Beschuldigten rechneten. Dazu kam es allerdings nicht. Zwar fand man bei einem der Festgenommenen eine scharfe Waffe, aber „die waren alle so überrascht, dass keine Zeit zur Gegenwehr blieb“, sagte Uwe Schmidt, leitender Kriminaldirektor im Berliner Landeskriminalamt (LKA), gestern auf einer Pressekonferenz. Bei der Razzia wurden sieben Männer und eine Frau mit Haftbefehl festgenommen. Sie sollten noch am selben Tag dem Haftrichter vorgeführt werden. Zwei weitere Personen wurden vorläufig in Gewahrsam genommen. Man habe die gesamte vierköpfige Führungsspitze des Netzwerks gefasst, sagt Schmidt. Der Schlag sei der größte seit Jahren gewesen.

Der Boss der Gruppe, der 30-jährige Bodybuilder Boris K., wurde mit Hilfe der polnischen Behörden in einem Dorf in der Nähe von Danzig festgenommen. K. hatte nicht nur originalverpackte Anabolika in seiner Wohnung gehortet, sondern auch selbst hergestellte Präparate. Außerdem fanden die Beamten zehn Handys und drei Laptops, mit denen Boris K. offenbar den schwunghaften Handel koordinierte.

Insgesamt werde gegen rund 30 Beschuldigte ermittelt, sagte Schmidt. Außerdem würden auch Kunden befragt – als Zeugen, da der Erwerb für den Eigenbedarf in Deutschland nicht strafbar sei, sagte der Berliner Staatsanwalt Thorsten Cloidt. Die Befragungen würden schwierig werden, da man in der Szene schnell als Verräter gelten könne und so den eigenen Nachschub abschneidet. Außerdem sei die Gewaltbereitschaft dort hoch.

Die Vorwürfe gegen die Beschuldigten lauten illegaler Handel mit Arzneimitteln und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Denn das Netzwerk zeige alle Merkmale dafür, sagt Staatsanwalt Cloidt: zum Beispiel Konspiration und Gewalt gegen Szeneaussteiger. So habe man einen Ausstiegswilligen in ein Sportstudio bestellt und dort „physisch bearbeitet“.

Die jetzt aufgeflogene Gruppe besteht seit mindestens 2003 und schmuggelte die Präparate beispielsweise aus Thailand nach Deutschland oder Polen. 1000 Pillen der so genannten „Anabol Tablets“ kosteten in Thailand rund 35 Euro. In der Szene werden sie für 175 bis 300 Euro gehandelt.

Die Kunden des Schmugglerringes – die Polizei rechnet mit einer dreistelligen Anzahl – sitzen nicht nur in Deutschland. Bis nach Schweden sei exportiert worden. „Der Vertrieb und die Gewinnspannen ähneln dem Rauschgifthandel“, sagt Kriminaldirektor Schmidt. Aber die öffentliche Aufmerksamkeit gelte dem Drogenschmuggel. „Der illegale Anabolikahandel segelt in dessen Schatten.“

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