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Berlin: Schlangestehen zur Anhörung: Bürger gegen Straßenbaugesetz Hauseigentümer sollen mitzahlen, wenn ihre Wege besser werden.

Weil sie das nicht wollen, strömten gestern Hunderte zur Parlamentsdebatte

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Einige hundert Bürger standen gestern Schlange vor dem Abgeordnetenhaus, um einer parlamentarischen Anhörung von Experten zu folgen. Ein seltener Anblick, aber das Straßenausbaubeitragsgesetz interessiert offenbar viele Menschen. Denn es geht ums Geld. Grundstückseigentümer sollen künftig für die Verbesserung, Erweiterung oder Erneuerung der Straße, die vor ihrer Tür liegt, einen Teil der Baukosten übernehmen.

Bei der Anhörung war der Frontverlauf klar: CDU, FDP und Grüne, die Verbände der Grundeigentümer, die Wirtschaftskammern und die Bezirksbürgermeister lehnten den Gesetzentwurf ab. Die SPD und Teile der Linkspartei/PDS verteidigten die Beiträge für den Straßenausbau, unterstützt vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg und von Hans-Joachim Driehaus, ehemals Richter am Bundesverwaltungs- und am Landesverfassungsgericht. Das für Berlin geplante Gesetz lehne sich eng an die bundesweit übliche Rechtslage an, sagte Driehaus im Bauausschuss des Parlaments. „Es eröffnet auch kein Missbrauchspotenzial zu Lasten der Anwohner.“

Jens Graf, Vertreter der Städte und Gemeinden im Nachbarland, reagierte geradezu euphorisch auf das Gesetzesvorhaben in Berlin. Das Land Brandenburg habe seine Kommunen schon 1991 verpflichtet, Straßenbaubeiträge zu erheben. Auch dort habe es anfangs die Befürchtung gegeben, betroffene Bürger müssten Haus und Hof verkaufen und kleine Unternehmer ihre Betriebe schließen. „Aber das hat sich nicht bewahrheitet.“ Zunehmend gebe es sogar private Initiativen in den Gemeinden, neue Straßen vollständig auf eigene Kosten zu bauen, damit es schneller geht. Die Straßenbaubeiträge seien in Brandenburg parteiübergreifend als sinnvolles Mittel anerkannt, um Einnahmen für den Ausbau der Infrastruktur zu erzielen.

Dass zusätzliche Einnahmen notwendig sind, bezweifelte auch Dieter Blümmel nicht. Der Geschäftsführer des Grundbesitzerverbands „Haus und Grund“ in Berlin machte aber einen anderen Vorschlag: Alle Grundstückseigentümer sollten zu einer laufenden Ausgleichsabgabe herangezogen werden, die dann allerdings auch als Betriebskosten auf die Miete umgelegt werden könnte. Schließlich seien die Zeiten vorbei, in denen der Neu- oder Umbau einer Straße lediglich den Anliegern zugute komme. Blümmel: „Heute wird doch sämtliche Infrastruktur von allen Bürgern gleichermaßen genutzt.“

Auch Jochen Brückmann, der für die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer sprach, kritisierte den Gesetzentwurf als „nicht zielführend“. Der Verwaltungsaufwand sei viel zu hoch, Grundeigentümer und Unternehmer seien jetzt schon hoch belastet und für Berlin sehe der Senat höhere Beitragssätze vor als in fast allen anderen großen Städten Deutschlands.

Den beträchtlichen Zugewinn an Bürokratie bemängelte auch der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Klaus Ulbricht (SPD). Fünf neue Stellen seien allein in seinem Bezirk nötig, um die Straßenbaubeiträge zu verwalten. Kosten: 470 000 Euro. Dem stünden geschätzte Beitragseinnahmen von 560 000 Euro gegenüber. Die Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) und des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen übten sich dann in konstruktiver Kritik und machten Änderungsvorschläge. Zum Beispiel müssten die betroffenen Anwohner ein Mitentscheidungsrecht über die Bauplanung erhalten.

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