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Schließung des Maison de France: Frankreich in Berlin erleben

Das Maison de France schließt, doch Frankreich bleibt Berlin erhalten. Viele junge Kreative zieht es hierher. Und ohnehin: Der Einfluss der Franzosen auf Berlin war, ist und bleibt groß. Ein Rundgang.

Alle Franzosen in Berlin bedauern das angekündigte Aus für das Maison de France am Kurfürstendamm? Von wegen. Léa Chalmont-Faedo hält den Verkauf des traditionsreichen Gebäudes sogar für eine ziemlich gute Idee. „Wenn Frankreich sparen muss, ist es doch vernünftig, Immobilien im Ausland zu verkaufen“, sagt die 32-jährige Französin. „Solche Prestigesymbole braucht doch im Grunde keiner – zumal in der Botschaft genug Platz ist und sie auch noch zentraler liegt.“ Wenn im Cinema Paris oder im Institut Français – beide Institutionen sind derzeit im Maison de France untergebracht – eine interessante Veranstaltung stattfindet, überlegt sich Chalmont-Faedo zwei Mal, ob sie hingehen soll. „Der Ku’damm ist einfach sehr weg von allem. Und irgendwie habe ich dort nicht einmal das Gefühl, in Berlin zu sein.“

Dabei kennt sich Chalmont-Faedo eigentlich mit Berlin aus, auch wenn sie erst seit fünf Jahren hier lebt.

Sie ist Chefredakteurin des französischen Kulturmagazins „Berlin Poche“ mit dem Zusatz „en français dans le Kiez“. Sie sitzt auf einer Hollywoodschaukel in einem Neuköllner Hinterhof. Ihr Magazin berichtet über kulturelle Veranstaltungen in der Stadt und über die junge französische Szene. Jüngste Themen: eine Pariser Designerin in Neukölln oder ein Schriftsteller, der gerade einen Roman über Berlin veröffentlicht hat, „Demain Berlin“.

Derzeit leben nach Schätzungen der Botschaft 20 000 Franzosen in der Stadt, Tendenz steigend. Es sind vor allem Menschen zwischen 25 und 35, die nach Berlin ziehen, sagt eine Sprecherin der Botschaft. Die Stadt ist in Frankreich Mode. Léa Chalmont-Faedo und ihre Protagonisten gehören zu dieser neuen Generation von Franzosen, die vor allem in den Szenebezirken Neukölln, Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg leben.

Doch es gibt auch ältere Franzosen in Berlin. Viele kamen als Soldaten in den 80ern nach West-Berlin, leben in Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie bedauern das Ende des Maison de France. Philippe L’Oiseau, gewählter Vertreter der Berliner Auslandsfranzosen und Organisator eines Franzosenstammtisches in Moabit, sagt: „Es ist schmerzhaft. Das Maison de France ist ein Symbol für die Ambition der französischen Kulturpolitik.“

Léa Chalmont-Faedo hingegen findet diese Art der Repräsentanz gar nicht nötig. Sie sagt: „Berlin ist voller junger Franzosen, die die französische Lebensart verbreiten.“ DJs, Künstler, Autoren und Designer seien aktiv. „Fast in jedem Club, bei jeder Ausstellung und auf jedem Festival treffe ich Franzosen, nicht nur Gäste, sondern auch viele, die mitmischen.“ So hat sie gerade erst herausgefunden, dass die Pressereferentin des Prime-Time- Theaters im Wedding Französin ist.

Franzosen fallen in der Stadt nicht auf, weil sie historisch integriert sind

Vor fast fünf Jahren hat Léa Chalmont-Faedo mit ihrem Mann und zwei Freunden das Magazin „Berlin Poche“ lanciert. Seitdem kommen immer neue ehrenamtliche Mitarbeiter hinzu, mittlerweile sind es 15, außerdem vier Praktikanten. Auch die Leserzahl hat zugenommen. Etwa 5000 Exemplare werden mittlerweile jeden Monat in der Stadt verteilt – „die Hälfte an Franzosen, Belgier, Schweizer und Kanadier, die andere Hälfte an frankophile Deutsche“, schätzt Chalmont-Faedo. Die Einnahmen der Zeitschrift reichen aus für die Druck- und Bürokosten. Chalmont-Faedo lebt mit ihrem Mann in einer 40-Quadratmeter-Wohnung. „Nach Berlin kommt keiner, um Karriere zu machen. Es ist einfach der Arm-aber-sexy-Charme, dem immer mehr Franzosen erliegen.“

Doch obwohl es immer mehr werden – einfach sind die Franzosen nicht zu finden. Im traditionellen französischen Restaurant „Le Piaf“ in der Charlottenburger Schlossstraße hört man nur selten Französisch, die meisten Gäste sind Deutsche. Ähnlich ist es im „Le Johann Rose“ in Neukölln, wo Tischdecken und Kissen pastellfarbene Vichy-Muster tragen, Patisserie in der Glasvitrine liegt und Kellner und Köche auf Französisch die Bestellungen austauschen. Gäste aus Frankreich trifft man hier allerdings nur alle zwei Tage. „Franzosen sind Individualisten. Sie tun sich nicht zusammen wie zum Beispiel die Spanier“, sagt Besitzer Philipp Lumpp, ein 40-jähriger Deutsch-Franzose. „Wenn ich ein französisches Fußballspiel ansehen will, weiß ich nie, wo ich hingehen soll. Es gibt einfach keine Franzosenkneipe.“ Aber er sagt auch: „In der ganzen Stadt verstecken sich Franzosen. Sie fallen nur nicht so auf, weil sie sich unter die Deutschen mischen.“

Philipp Lumpp glaubt, dass Franzosen auch deshalb nicht so auffallen, weil sie historisch in der Stadt integriert sind. „Jeder vierte Berliner stammt doch von den Hugenotten ab und hat damit französische Wurzeln.“ Und auch während der Besatzungszeit hätten sich die Franzosen einen Platz in Berlin erobert. Alle Köche, mit denen Lumpp bisher zusammengearbeitet hat, sind vor 1994 in die Stadt gekommen, als noch französische Soldaten in Berlin stationiert waren.

Eine selbst ernannte Franzosenkneipe gibt es aber dann doch in Berlin, das „Visite ma tente“ in Prenzlauer Berg. Tatsächlich trifft man in der Kneipe jeden Abend junge Franzosen. Die meisten Gäste sind aber auch hier Deutsche, die Frankreich lieben. Eine von ihnen ist Franziska Stade. Dass das Maison de France am Ku’damm geschlossen wird, ist ihr egal. „Der Kurfürstendamm ist ja so weit weg, deshalb war ich sowieso nur einmal dort für einen Film.“ Um Frankreich in Berlin zu erleben, hält sie sich lieber an ihren französischen Freundeskreis.

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