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Berlin: Schlimme Strecke, schöne Strecke

Peter Springborn betreut die Sportler von der RBB-Laufbewegung beim New-York-Marathon. Er ist 115-facher Marathonläufer. Und kann nicht verbergen, dass er früher Offizier bei der Marine war

Marineoffizier a.D. Peter Springborn betreut neuerdings Touristen. Er ist Rentner und ein netter Mensch, aber manche von seinen Reiseleiter-Sätzen feuert er in einem Tonfall ab, der eher nach Kommandobrücke klingt als nach Urlaub. Wenn er eine Schar erwartungsfroher Freizeitsportler beispielsweise mit folgender Ansage zum New-York-Marathon begrüßt: „Dat is eine schlimme Strecke, dat is eine tödliche Strecke! Aber dat is eine schöne Strecke!“ Dann stehen sie um ihn herum und fragen sich, ob sie ihre rund 1500 Euro für die Reise wirklich gut angelegt haben. Aber wenn Springborn mit seinem Bremer Dialekt den Läufern im nächsten Moment erklärt, wo er ihre mitgereisten Lieben am kommenden Sonntag zum Jubeln an die Strecke bringen wird, dann wissen sie, dass sie bei ihm gut aufgehoben sein werden in Manhattan.

Peter Springborn ist 66, sieht aber höchstens wie 55 aus und weiß das auch. Er hat die Statur eines Ausrufezeichens und gönnt sich nicht mal den Ansatz eines Bäuchleins. Dafür genießt er das Raunen, wenn er in großer Runde sein Alter nennt. 17 Jahre New-York-Marathon-Erfahrung qualifizieren ihn zum Reiseleiter. Er hat ja Zeit, weil er bei der Marine schon mit 53 in Pension gehen konnte. Seit fünf Jahren arbeitet er freiberuflich für das Sportreiseunternehmen Grosse-Coosmann, bei dem die über 100 Berliner von der RBB-Laufbewegung ihren Trip zum New-York-Marathon am kommenden Sonntag gebucht haben. Anschließend fliegt er mit ein paar Gästen weiter nach Kalifornien und Arizona; für die nächsten Monate stehen dann Boston und Honolulu in seinem Kalender.

Springborn führt akribisch Buch über seine Läufe, aber die wesentlichen Daten hat er griffbereit im Kopf. Gäbe es ein Marathon-Quartett nach Art der seligen Autokartenspiele – er wäre schwer zu schlagen:

Marathonläufe: 115

Allzeitrekord: 2:30:09

Größtes Monatspensum: 931 km

Laufleistung gesamt: 151 875 km

Bei einem Auto mit diesem Kilometerstand würde man vor dem nächsten Tüv zittern, aber Springborns Zustand ist 1 A. In letzter Zeit schont er sich allerdings, denn „man soll ja nur so lange laufen, wie der Akku voll ist“. In Zahlen: „Ich laufe nur noch 250 bis 300 Kilometer im Monat.“ Das fahren andere Leute mit dem Auto.

Angefangen mit der Lauferei hat Peter Springborn mit 33, weil er seinem Spiegelbild ansah, dass die Kombination aus wenig Bewegung und viel Zigaretten plus Alkohol kein gutes Ende nehmen würde. Anfang der 70er-Jahre ist er seine Spitzenzeiten gelaufen, und 1987 hat er sich zum 50. Geburtstag die Teilnahme am New-York-Marathon geschenkt. Seine Frau durfte auch mitkommen.

Den Job als Reiseleiter macht er nicht des Geldes wegen, sondern „weil die Welt schön ist, weil ich New York liebe“ und weil Langstreckensportler „alles Pfundskerle und realistische Menschen sind“. Einer der RBB-Laufbewegten wollte wissen, wie er am Sonntag nach dem Marathon möglichst Kraft sparend zum Hotel zurückkommt. „Subway 7 bis Pennsylvania Station“, hat Peter Springborn ihm mit verächtlichem Blick geantwortet. Und mit freundlichem Gesicht hinterhergeschoben: „Laufen Sie die zweieinhalb Kilometer mit umgehängter Medaille! Jeder wird Ihnen gratulieren.“ Stefan Jacobs

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