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Berlin: Schloss Bellevue: Wie der Teppich durch das Fenster in den Festsaal rutschte

Normalerweise gehen Könige, Fürsten und Botschafter im Schloss Bellevue ein und aus. Aber für den Tagesspiegel macht das Protokoll schon mal eine Ausnahme.

Normalerweise gehen Könige, Fürsten und Botschafter im Schloss Bellevue ein und aus. Aber für den Tagesspiegel macht das Protokoll schon mal eine Ausnahme. Sieben Kinder durften sich im Schloss auch dort umsehen, wo sonst noch nicht einmal Erwachsene hinein gelassen werden. Wer sagt dem Bundespräsidenten die Namen der Gäste vor? Warum wird das Mittagessen in Riesenpfannen zubereitet? Was passte nur durchs Fenster ins Schloss? Wo steht der Geschirrspüler? All das haben unsere Kinderreporter herausgefunden - und für eine Sonderausgabe vom Kinderspiegel aufgeschrieben, die wir heute Nachmittag auf dem Fest im Schloss verteilen. Hier schon mal ein Vorgeschmack. Morgen im Tagesspiegel: Das große Kinder-Interview mit Johannes Rau.

Das goldene Buch

Anika: "Die Eingangshalle wirkt riesig groß, weil dort wenig Möbel drin sind. An der Seite steht der runde Tisch mit dem Gästebuch. Dort tragen sich alle Gäste ein, die der Bundespräsident empfängt. Am 13. Juni beispielsweise hat sich der Botschafter des Staates Quatar, Mohammed Hassan Algaben, dort verewigt. Für den Empfang gibt es spezielle Regeln: Staatsoberhäupter werden draußen begrüßt, Premierminister oder Minister drinnen. Wenn die Persönlichkeiten im Buch unterschrieben haben, können sie mit dem Tintenlöscher drübergehen, damit nichts verschmiert. Schön finde ich die große, weiße Vase, die dort in einer Ecke steht. Die passt gut in die Halle, zu den pastell grünen Wänden. Die vielen Bilder gefallen mir nicht so toll. Da sind so viele Rot-Töne drin. Wo eine offizielle Begrüßung stattfindet, da sollte schon was Besonders hängen. Von der Eingangshalle gehen vier Türen ab: eine in den Büro-Trakt, eine zum Amtszimmer, eine in den "Salon Null" und eine in die Galerie."

Die bunten Bilder

Cihan: "In der Galerie gibt der Präsident Empfänge und nimmt Pressetermine wahr. Aber auch Kunstausstellungen werden hier gezeigt. Die Bilder, die hier hängen, fallen sofort auf: Sie sind ganz modern, ohne Gesichter oder Figuren, einfach blaue und orange Farbstreifen. Der Künstler, der die Bilder gemalt hat, heißt Günter Förg. Von ihm kommt auch die große, weiße Skulptur, die aussieht wie ein hoher Stein aus Gips mit Rissen. Jeder Bundespräsident darf sich Kunstwerke aussuchen in Galerien oder Museen, die während seiner Amtszeit dort hängen. Vorausgesetzt, die Galerien und Künstler sind einverstanden. Wenn man durch die Galerie geht, kommt man direkt zum Treppenaufgang. Besonders schön finde ich, wie das Sonnenlicht auf das Holzparkett scheint."

Das Händeschütteln

Maximilian: "Der Langhans-Saal ist das beste Zimmer im ganzen Schloss. Hier gibt es viele Verzierungen. Rechts und links ist je ein Kamin, in denen man aber kein Feuer mehr machen kann. Vor dem linken steht der Bundespräsident, wenn er Gäste begrüßt. Weil er nicht alle kennt, sagt ein Diener ihm die Namen vor. Der Bundespräsident steht dabei auf dem Teppich, nicht daneben, das ist eine Tradition. Ohne den Teppich würde mir das Zimmer besser gefallen, der ist so grün. Der Saal ist noch genauso, wie er war, als das Schloss erbaut wurde. Damals haben die Leute hier getanzt, langsame, altmodische Tänze wie Walzer. Die Frauen hatten weite Kleider an und die Männer Sachen, die aussahen wie Kleider. Mit solchen Klamotten braucht man viel Platz zum Tanzen. Deshalb ist der Saal in der Mitte auch so leer, außer dem Teppich natürlich."

Das Wartezimmer

Bahara: "Im Salon I. passiert eigentlich ziemlich wenig. Wer einen Termin beim Bundespräsidenten hat, vertreibt sich hier die Zeit, bis er dran kommt - wie in einem Wartezimmer beim Arzt. Die Leute trinken einen Aperitif, damit sie mehr Hunger bekommen. Die Möbel sind noch aus den 50er, 60er Jahren und aus Kirschholz. Der Salon ist vom Aussehen her mein Geschmack, das passt alles gut zueinander. Er ist aber eher fein als gemütlich. Wenn ich hier leben würde, hätte ich hier eher ein Wohnzimmer als mein Kinderzimmer eingerichtet.

Der rosarote Raum

Anne-Sophie: "Salon III macht auf mich einen hellen und freundlichen Eindruck, da sehr viel Licht herein scheint. Die Möbel sind alle ziemlich alt, das sind Antiquitäten aus dem Schloss Wilhelmshöhe in Kassel. Außerdem sind die Stühle aus Rosshaar, das fässt sich ganz schön hart an. Ein Sessel kostet ungefähr 10 000 Mark. Zum Glück bezahlt der Staat alles. Der Teppich kommt aus dem Orient und wurde auf einer Auktion ersteigert. Die Wände sind rosa, und deshalb wird der Raum Damensalon genannt. Blumen stehen nur bei festlichen Anlässen dort. Das Zimmer hat Frau Herzog, die Frau des früheren Bundespräsidenten eingerichtet."

Das Staatsgeschirr

Selvie: "Die Anrichte ist kein schöner Raum. Alles hat hier die gleiche Farbe: grau. Hier werden für die Gäste die Getränke vorbereitet. Deshalb stehen hier auch so viele Gläser in den Schränken. Kleine, runde. Große halbrunde und welche, die aussehen wie die, wo Senf drin ist. Es gibt auch einen Zapfhahn, so einen hat mein Vater im Bistro auch. Die Getränke kommen aus der Anrichte, das Essen aus der Küche auf der anderen Seite. Das ist logisch, denn sonst würden sich die Kellner mit ihren Tabletts gegenseitig umschubsen. So ein Tablett hat ein winziges Wappen drauf. Das heißt, dass es Staatsgeschirr ist. Und es ist unheimlich schwer. Einer hat mal, weil er das Tablett nicht mehr halten konnte, Spargel auf einen Gast fallen lassen. Die Anrichte ist im ersten Stock und die Getränke kommen mit einem Aufzug hoch. Da ist mal ein kleiner Kellner mitgefahren, aber wir durften nicht."

Die Riesentöpfe

Tim: "Die Küche ist ganz anders als unsere Zuhause. Wir haben viel Holz, hier ist nur Aluminium. Außerdem ist alles viel, viel größer als normal. Die Küche ist ein langer Saal, 12 Köche arbeiten hier, wenn viele Gäste da sind. Einer heißt Jan-Göran Barth und war Olympiasieger. In den Backofen, die Köche sagen dazu Convectomat, passen 20 Gänse auf einmal. Es gibt eine große Kipp-Pfanne, vielleicht, damit man die Sauce besser rauskriegt. Der Pfeffer ist in riesigen Gläsern. Sonst kommt aber nichts aus der Tüte. Und es werden nur Produkte aus Deutschland verwendet. Auch bei den Weinen. Die kann sich jeder leisten, sagt der Mann, der dafür zuständig ist. Manchmal kosten die Weine, die er einkauft, nur 8,50 Mark. Der Bundespräsident isst gerne Hausmannskost, er mag ziemlich viel. Nur Knoblauch darf er nicht essen, das wäre ja auch unhöflich gegenüber denen, die mit ihm reden müssen."

Der Teppich auf der Rutsche

Anika: "So einen großen Festsaal hätte ich später auch gerne mal in meiner Wohnung. Hier finden vor allem Festessen statt, dafür werden extra Speisetafeln reingestellt. An beiden Stirnwänden hängen witzige Kunstwerke, ein lilanes und ein gelbes Bild, die innen gefüttert sind. Die Bilder fühlen sich wie Kissen an. "Begegnungen" heißen die. Wenn die Bilder mal nicht mehr gebraucht werden, muss man sie wie eine Matratze einrollen, um sie aus dem Raum zu schaffen. Der Teppich ist auch riesengroß: 18 mal 8 Meter. Um den in den Saal zu bekommen, musste ein Fenster ausgehängt werden. Von außen wurde der Teppich über eine Rutsche dort hin transportiert 14 Männer waren zwei Stunden damit beschätigt das sperrige Ding auszurollen."

Die Kinder-Reporter: Selvie Önüc[11 Jah]

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