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Rückzugsort. Zwischen 2001 und 2007 wurde Schloss Freienwalde aufwendig restauriert. Es gilt als Kleinod preußischer Landbaukunst des Klassizismus – hat aber seit Jahren mit geringen Besucherzahlen und hohen Unterhaltungskosten zu kämpfen.

©  Ernst-Otto Denk

Schloss Freienwalde: Die Zukunft ist ungewiss

Schloss Freienwalde hat eine bewegte Geschichte. Doch seit dieser Woche ist unklar, wie es mit Schloss und Museum weitergeht.

Vor einer Springbrunnenschale aus Granit sehen wir, mit etwas Fantasie, im Schlosspark von Bad Freienwalde drei Zeitreisende, die berühmtesten Bewohner des noblen preußischen Anwesens, auf einer Bank. Die Königin, die Prinzessin, den Minister.

Offenbar ist der schöne Flecken im Oderbruch, dessen Zukunft seit einem Beschluss des Kreistags vom Mittwoch bedroht ist, ein tröstender Ort, wenn man Liebesleid aushalten muss. So war das jedenfalls für die beiden Damen. Königin Friederike Luise, die Gemahlin des vierten Preußenkönigs, hat an diesem Kurort vor mehr als 200 Jahren 17 Sommer verbracht, in denen sie Abstand gewann zu den demütigenden Affären und Nebenehen ihres gekrönten Gatten in Potsdam, Charlottenburg, Berlin. In denen sie das Landleben genoss und sich auf der Bühne eines Teehauses, das hier schon 1795, vor dem Bau ihres Palais’ für sie errichtet worden war, als Sängerin versuchte.

An etwas anderem Herzweh litt mehr als zwei Jahrzehnte später die preußisch-polnische Prinzessin Elisa Radziwill: Ihr Freund aus Kindertagen galt als möglicher Thronfolger (würde eines Tages sogar Kaiser werden), weshalb der Hof Elisas blaues Blut als zweitklassig befand. Ihr Liebesdrama rührte ganz Europa, hochkarätige Adoptionsprojekte scheiterten, schließlich mussten die Verliebten aufgeben, und die traurige Prinzessin starb, nach der Auflösung einer Ersatzverlobung und Gesundbrunnentherapien, 1834 in diesem Gebäude an der Schwindsucht. Dagegen mag der Industrielle und spätere Minister, für den Schloss Freienwalde ab 1909 als Arbeitsrefugium mit monarchischer Aura richtig schön wiederhergestellt wurde, hier gute Stunden verlebt haben, unterstützt von seiner Mutter, der Vertrauten seines Lebens. Doch das Lebensdrama Walther Rathenaus wurde die Politik: Er ist, als deutscher Außenminister, am 24. Juni vor 94 Jahren, nahe seiner Stadtvilla im Berliner Grunewald erschossen worden.

Eigenständigkeit war der falsche Weg

Eigentlich müsste das Schloss auf zwei Ausstellungsstockwerken zur vitalen Begegnung mit Friederike Luise, Elisa und Walther einladen. Es war 1798 als Behausung der Königin in klassizistischer Schlichtheit errichtet worden, umgeben von einem Lustgarten, nach ihrem Tod 1805 jahrelang nicht bewohnt gewesen. Rathenaus Restaurierung samt passender Möblierung, 100 Jahre später, war als Rettungsakt gedacht. Eine Stift GmbH, die seinen Namen trug, sollte das architektonische Schmuckstück nach seinem Tod für die Öffentlichkeit erhalten; seine Erben schenkten es dem Landkreis, der sich verpflichtete, das Andenken des Ermordeten zu bewahren. Während des „Dritten Reiches“ wurde jeder Hinweis auf diesen herausragenden jüdischen Repräsentanten der Weimarer Republik entfernt.

Zu DDR-Zeiten wollte man sich dagegen nicht mehr an die Hohenzollern erinnern, dem Abrissbefehl entkam das Schloss als „Kulturhaus Alexander Puschkin“. 1990 wurde es mit dem Elf-Hektar-Park an den Landkreis restituiert, die Stift GmbH erstand 1991 neu. Dann lagerte der Landkreis seine Museums-Institutionen, neben dem Schloss die Gedenkstätte Seelower Höhen und das Brecht-Weigel-Haus in Buckow, an eine 1996 gegründete Kultur GmbH aus. Doch diese „Eigenständigkeit“ habe sich „aus finanziellen Gründen als falscher Weg erwiesen“, sagt Kultur-GmbH-Geschäftsführerin Kerstin Niebsch. Zwischenzeitlich waren Schloss, Teehaus und Gärtnerhaus, von 2001 bis 2007, für 2,8 Millionen Euro – aus der Hermann- Reemtsma-Stiftung, der Stiftung Denkmalschutz und Städtebau-Mitteln, ansehnlich restauriert worden.

Zu wenig Attraktionen

Am Mittwoch nun hat der Kreistag Märkisch-Oderland – auch zur Einsparung von 100.000 Euro Sach- und Personalkosten – beschlossen, dass die Kultur GmbH Ende 2016 geschlossen wird und damit auch der museale Betrieb der „Gedenkstätte Seelower Höhen“ und des „Brecht-Weigel-Hauses Buckow“ sowie von Schloss Freienwalde. Während die ersten beiden auf Sparflamme künftig durch das Liegenschaftsamt zu bewirtschaften wären, möchte man das Schloss der Stadt als Träger aufdrängen. „Sollten die dazu geführten Verhandlungen scheitern, wird der Museumsbetrieb zum 1.1. 2017 eingestellt“. In jedem Fall sei eine „Sicherung des Rathenau-Erbes“ garantiert, heißt es nebulös in der Vorlage. Doch zur Übernahme liegt dem Freienwalder Bürgermeister Ralf Lehmann, so sagt er, kein „reelles Konzept“ vor. Der „finanzielle Anreiz“ vonseiten des Kreises fehle. Man müsse die Gastronomie mit herrlicher Terrasse im Schloss-Souterrain endlich wieder verpachten, durch Veranstaltungsservice den Tourismus beleben. Denn die Besucherzahlen stagnieren, Angebote wie die Schlössernacht der Stadt oder die Ausstellungen im Schloss „treffen nicht den Nerv“.

Eine Attraktion stellt die Erdgeschoss-Ausstellung zu Friedrike Luise derzeit tatsächlich nicht dar. Die Text-Foto-Banner erschlagen mit kleinteiliger Information; das Ersatz-Mobiliar, herangeschafft nach den Plünderungen des 20. Jahrhunderts, wirkt beliebig illustrativ. Besser funktionieren die Rathenau-Gedenkräume im ersten Stock. Zauberhafte Pastelle des vielbegabten Politikers, auf denen er die Umgebung seinerzeit festgehalten hat, sowie einige original für diesen Bau angefertigte Möbelstücke, die mithilfe der Rathenau-Familie wieder herangeschafft werden konnten, unterstützen die Anmutung des Authentischen. Rathenaus komplizierte Persönlichkeit wird skizziert. Ein paar Schritte vom Schloss dagegen präsentiert sich im Park der 200-jährigen Bäume das Teehaus von 1795 wiederum als verpasste Chance: äußerlich instand gesetzt, drinnen billig zurechtgemacht. Weil Fördergelder verbraucht waren, als das Einrichten anstand.

Museum werde ausgetrocknet

„So kann man mit dem Kulturerbe nicht umgehen,“ sagt der pensionsbedingt bald abtretende Museumsleiter Reinhard Schmook, über die Pläne des Kreises. Der müsse gemeinsam mit der Stadt eine Lösung entwickeln. Anders als bei der Kultur GmbH, die nie solide finanziert gewesen sei, solle eine solide Basis geschaffen werden. Doch während Schmook wenigstens die Erhaltung des Status quo erhofft, damit der Museumsbetrieb nicht, auf Büro-Öffnungszeiten reduziert, ins Schattendasein versinkt, sieht Marie-Theres Suermann vom Freundeskreis Schloss Freienwalde schon die aktuelle Situation als Teil des Problems. Das Museum werde „ausgetrocknet“. Freundeskreis-Initiativen zur didaktischen Belebung der Rathenau-Ausstellung durch Faltblätter und Apps würden ausgebremst. Nicht mal ein Luftbefeuchter, den man für Rathenaus empfindliche Pastelle aus konservatorischen Gründen benötige, sei angeschafft worden.

Dabei räumt Suermann ein, dass Lesungen und Konzerte auf wenig Publikums- Resonanz stoßen. Im Streit um die künftige Trägerschaft schaffen es die Walther- Rathenau-Stift GmbH, die im Hintergrund engagierte Walther-Rathenau-Gesellschaft, der Bürgermeister, der Landrat, Bürger und Freundeskreis nicht, zur Bewahrung des schönsten Ortes dieser Stadt an einem Strang zu ziehen. „Ehe der Tag graut, ist das Schloss wieder leer,“ beendete Theodor Fontane vor 140 Jahren seine Freienwalde-Reportage. „Das Schloss liegt stiller da wie zuvor. Alles, was kam und ging, war wie ein Traum.“

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