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Berlin: Schluss machen ist erst der Anfang

Das Motto gab uns Friedrich Schiller: "Was ist das Leben ohne Liebesglanz?" Das gilt in guten und ganz besonders in schlechten Zeiten.

Das Motto gab uns Friedrich Schiller: "Was ist das Leben ohne Liebesglanz?" Das gilt in guten und ganz besonders in schlechten Zeiten. Auf dieser Seite stellen wir jeden Sonntag Menschen vor, die sich einander versprochen haben.

Meistens fällt es zwei Menschen, die eine Beziehung führen, schwer, voneinander loszulassen. Svenja und Carsten Tietz, heute 25 und 26 Jahre, wollten es - konnten es aber so gar nicht. Nach zwei Jahren Beziehung hatte Carsten vor fünf Jahren Schluss gemacht. Am Telefon. Irgendwie, findet er damals, haben sich die beiden auseinandergelebt. Und als sie telefonieren, und Svenja plötzlich so zickig ist am Telefon, weil sie ihn unbedingt sehen will, weil sich doch an jenem Tag ihre Beziehung zum zweiten Mal jährt und man das doch feiern müsse, wird es ihm zu viel. Schluss. Aus.

Doch schon wenige Tage später gehen die beiden auf eine Party. Trotz der Trennung fühlen sie sich nah wie nie. "Vielleicht gerade, weil wir wussten, dass wir jetzt nicht mehr zusammen sind und eigentlich machen können, was wir wollen", sinniert Svenja. Fortan sehen sie sich fast jeden Tag. "Eigentlich haben wir genauso gelebt wie früher, nur dass wir offiziell nicht mehr zusammen waren", erklärt Carsten die widersprüchliche Situation. Beide haben das eine oder andere Mal eine Affäre mit anderen, "aber das waren nur Ablenkungsmanöver", ergänzt Svenja. Das Leben ist nun mal voller Widersprüche. Die Freunde, die Eltern verstehen die beiden nicht. Aber das ist egal. Svenja und Carsten sind überglücklich, fahren sogar gemeinsam in den Urlaub nach Amsterdam.

Ein Jahr später sagt Carsten: "Eigentlich können wir das doch auch wieder festmachen mit uns, oder?" Svenja erbittet sich Bedenkzeit - aus Trotz. Doch schon am Abend ruft sie ihn an und pflichtet ihm bei: eine feste Beziehung mit diesem Mann, ja, das will sie. Zusammenziehen, das tun die beiden noch lange nicht. Carsten, der bei einem Holzgroßhandel arbeitet und nebenbei Betriebswirtschaft studiert, findet es zu Hause, bei den Eltern, so bequem. Als Svenja ihm nahelegt, dass sie bald gerne ein Kind möchte, findet er das gut. Zusammenziehen kommt für ihn dennoch nicht unbedingt in Frage. In der Millenniums-Nacht passiert es.

Im Januar ist klar, dass Svenja schwanger ist. Im September kommt ihr Sohn Linus Lasse zur Welt. "Kurz vor seiner Geburt sind wir dann doch zusammengezogen", sagt Svenja. Seine letzte BWL-Prüfung hat Carsten da bereits hinter sich. Warum also nicht gemeinsam wohnen, wo doch der Lern-Stress vorbei ist? Heiraten ist bis dahin kein Thema. "Ich wollte nicht mit schwangerem Bauch im Brautkleid vor den Altar", erklärt Svenja. Aber die Vorteile seien nicht von der Hand zu weisen, finden beide. Aber wenn schon heiraten, dann möchte Svenja - so erzählt sie Carsten eines Tages - einen richtig tollen Heiratsantrag. Carsten liegt im Bett, wälzt sich hin und her und grübelt die ganze Nacht. Dann kommt die Idee.

Er nimmt Svenja - wie fast jeden Freitag - mit zum Einkaufen in die Borsighallen in Tegel. Svenja wundert sich schon, warum sie dieses Mal einen anderen Eingang, so nah am Kino, nehmen. Dann weiß sie warum. Auf der Tafel über dem Kino, wo die Filme angekündigt werden, steht: Liebe Svenja, ich liebe Dich über alles. Möchtest Du mich heiraten?? Dein Schatz Carsten. Svenja kapiert erst nach einer Schrecksekunde, dass sie es ist, die gemeint ist. "Richtig süß fand ich, dass er extra mit den Kinobetreibern herumgetüftelt hat, wie der Text auf die Tafel passt, und dass die auch noch mitgemacht haben."

Ein dreiviertel Jahr später ist es soweit. Am fünften September feiern die beiden mit 120 Leuten ihren Polterabend. Vor allem Svenja ist aufgeregt wie nie. "Ich konnte bis nach der Hochzeit kaum etwas essen." Die vielen Leute, die Organisation: Alles nicht so einfach, findet sie. Zwei Tage später heiraten sie standesamtlich. Unspektakulär, amtlich eben, finden beide. Der große Tag ist ein Samstag. Svenja hat mit der Trauzeugin zuvor mehrere Brautmodengeschäfte abgeklappert und ist dann fündig geworden: ein cremefarbenes Kleid. Ohne Schleier, aber mit Schleppe. Am Hochzeitstag zieht sie sich - wie es sich gehört - bei ihrer Freundin um. Carsten trägt einen Smoking mit cremefarbener Fliege.

Die Zeit bis zur Zeremonie überbrückt er, indem er mit seinem Trauzeugen redet und mit Linus spielt. Dass die beiden katholisch - in seiner Hermsdorfer Gemeinde - heiraten, ist Carstens Wunsch.

Svenja findet das in Ordnung, obwohl sie evangelisch ist. Vor dem Traualtar knien beide nieder. Carsten hat nur eine Sorge: Die, dass er im wichtigsten Moment den wichtigsten Satz vergisst.

Eine völlig unbegründete Sorge.

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