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Berlin: Schmückendes Infomaterial

Pergament ist nicht allein zum Beschreiben da – das beweist die Künstlerin Ulrike Hamm zur Langen Buchnacht in Kreuzberg

Der Schmuck von Ulrike Hamm ist das Ergebnis langer Forschungsarbeit. In grauen Aktenordnern sind die einzelnen Schritte ihrer Experimente abgeheftet, versehen mit Notizen. Da steht dann zum Beispiel: „Vielleicht vorher wässern?“. Ulrike Hamm arbeitet aber keineswegs mit unerforschten Materialien – ihren Schmuck fertigt sie aus getrockneter Tierhaut, oder genauer, Pergament.

Das nutzten schon die alten Ägypter vor über 4000 Jahren , bevor es im Mittelalter vom Papier verdrängt wurde. Gerade experimentiert Ulrike Hamm mit Schrift und Text auf ihren Schmuckstücken. „Um so zur ursprünglichen Funktion des Werkstoffs zurückzukommen“, sagt sie. Ganz passend also, dass ihre erste Einzelausstellung heute zur Kreuzberger Buchnacht in der Galerie Fritz in der Dresdner Straße 20 um 17 Uhr eröffnet wird. Gleich in der Nachbarschaft liegt ihr Atelier. Es familienfreundlich zu nennen, wäre untertrieben: Im zentralsten Raum einer Fabriketage, die sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern bewohnt, steht Ulrike Hamms Werktisch. Trennen kann sie Privatleben und ihre Arbeit sowieso nicht. Oft färbt sie Pergament ein, während sie in der Küche nebenan das Essen für ihre Kinder kocht.

Trotz des traditionellen Materials sehen die Ketten, Ohrhänger und Ringe, die in ihrem Atelier entstehen, nicht altertümlich aus. Sie lässt die floralen Formen per Computer lasern, sie färbt mit neuesten Farben und tauscht sich mit der Gerbereischule in Reutlingen über moderne Imprägniertechniken aus.

Auf der Suche nach besseren Färbetechniken besuchte sie vor kurzem eine Tattoomesse in Berlin und traf dort auf einen Chemiker, der ihr ein paar Farbmischungen empfahl. Schließlich seien Tattoos auf der menschlichen Haut auch den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Aber auch wenn ihr Schmuck oft mit Mustern, die an feine Klöppelspitze erinnern, verziert ist, mit Tätowierkunst hat ihre Arbeit nichts zu tun, betont sie.

Dass das durchscheinende, fragil wirkende und doch robuste Pergament oft Irritationen verursacht, weiß die gelernte Goldschmiedin inzwischen: „Viele tippen auf Papier, auf Holz oder Kunststoff. Wenn ich dann sage: ,Es ist Kalbshaut’, schauen die Leute skeptisch.“ Als Ulrike Hamm vor drei Jahren den Berliner Landespreis „Gestaltendes Handwerk“ bekam, investierte sie das Preisgeld in eine Broschüre, in der sie ihre Arbeit erklärt.

Schon während ihres Studiums an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim hat sie aus Knochen und getrockneten Därmen Schmuck gemacht. „Nur mit Metall zu arbeiten, hat mich schnell angeödet.“ Dass Pergament jetzt ihr Werkstoff ist, war aber eher ein glücklicher Zufall, der des perfekten Pergaments nämlich. „Erst als die erste Haut aufgebraucht war, merkte ich, wie groß die Qualitätsunterschiede sind.“

Deshalb fährt sie jetzt auch regelmäßig zu einer kleinen Pergamentmanufaktur in die Nähe von Leipzig. Dort sucht sie aus hunderten Häuten fünf aus, die geeignet sind, um sie zu daumennagelgroßen Blütenkelchen zu verarbeiten. Verschieden große Plättchen steckt sie zu Armreifen in Form von 3-D-Blumen zusammen. Einer dieser Armreifen wurde von einem Auto plattgefahren und Ulrike Hamm brachte ihn wieder in seine dreidimensionale Form. Das gehörte zwar in die Kategorie unfreiwilliges Experiment, aber dass sie so beweisen konnte, dass Pergament nicht nur schön aussieht, sondern auch widerstandsfähig ist, macht Ulrike Hamm schon ein wenig stolz.

Galerie Fritz, Dresdener Straße 20, bis 24 Mai, montags bis freitags 10 bis 19 Uhr, samstags 11 bis 16 Uhr

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