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Berlin: Schneewittchen will es wissen

Schülerdrama, Vampirfilm, Psychoschocker: Die Berliner Schauspielerin Jennifer Ulrich schont sich bei ihren Rollen nicht.

Sie ordert eine Cola. Cola light?, fragt die Agentin. Nee, Cola!, sagt Jennifer Ulrich. Schneewittchen will die volle Zuckerdröhnung. Denn wie das Antlitz von Schneewittchen sieht ihr großflächiges Gesicht mit den Rehaugen nun mal aus, da kann man sich noch so sehr verbieten, in Prinzessinnenklischees zu denken. Die Haut weiß wie Schnee, die Lippen rot wie Blut, die Haare dunkel wie Ebenholz. Auch wenn sie für den nächsten Dreh gerade etwas kürzer und heller sind. Gott sei Dank führt sie sich kein bisschen zuckerig auf, wie sie da auf dem speckigen Ledersofa in der von ihr auch privat geschätzen Brezelbar in Kreuzberg sitzt. Da kommt auch schon die Cola für die Schauspielerin.

Seit ihrem Kinodebut 2002 in „Große Mädchen weinen nicht“ läuft es ganz gut für die Lichtenbergerin, die jetzt schon eine ganze Weile hier um die Ecke in Kreuzberg lebt. Nach kleinen Rollen in „Elementarteilchen“ oder „Die Wolke“ hat sie größere in Dennis Gansels viel gelobtem Schülermanipulierdrama „Die Welle“ und in seinem Berliner Vampirfilm „Wir sind die Nacht“ gespielt. Außerdem viel Fernsehen gemacht und nach und nach auch in internationalen Produktionen Fuß gefasst. Eine davon, das italienische Politdrama „Diaz – Don’t clean up this blood“, feierte neulich erst auf der Berlinale Premiere.

Am 4. April folgt nun der nächste Streich. Jennifer Ulrich, Jahrgang 1984, spielt die Hauptrolle in Rainer Matsutanis Psychothriller „Zimmer 205 – Traust du dich rein?“. Und wieder schont sich die im blutigen Vampirgenre gestählte Schauspielerin nicht. Der Schocker hat seinen satten Horroreinschlag. Mit Geistern, Grusel und Gemetzel. Und mit blubberndem, tropfendem Schleim. Jennifer Ulrich nickt. „Der war essbar und hatte Pfefferminzgeschmack.“ Unerbittliches Gewerbe: Selbst ein Schneewittchen wie sie muss Schleim essen. Ist ihr aber gut bekommen. Vergangenes Jahr habe sie sogar in der Jury von zwei Schweizer Horrorfilmfestivals gesessen, erzählt Ulrich. „Das ist eine sehr familiäre Szene, ich hab mich da wirklich wohlgefühlt.“

Ihr gefällt, dass Horrorfilme Ängste und Fantasien offenlegen und, wie sie findet, oft mit ideenreichen Mitteln arbeiten. Bloß bierernst sollten sie nicht sein. „Horrorfilme müssen Spaß machen: wenn man sie dreht und wenn man sie sieht.“ Hat bei ihr am Set von „Zimmer 205“ jedenfalls geklappt. Den hat sie wie einen großen Spielplatz erlebt. „Wenn man den ganzen Tag Panik spielt oder fünfmal hintereinander schreit wie am Spieß, muss man einfach viel lachen.“

Und das, obwohl das Studentenwohnheim tötet, die Uni in den Wahnsinn treibt, Facebook von Geistern besetzt ist, die Kommilitonen Pillen einwerfende Mobber sind und Jennifer Ulrichs Hauptfigur ein veritables Psychowrack. Gedreht wurde in einer düsteren ehemaligen SED-Parteischule in Erfurt, die die angesagte Retrokulisse für den deutlich auf ein Youngster-Publikum zielenden Film abgibt. Außerdem auch in Berlin und im Museumsdorfs Rüdersdorf. Die eindrucksvollen Backsteinschlote waren ihr Lieblingsmotiv, erzählt Jennifer Ulrich. „Da sind wir in den 90ern immer mit der Schule hingewandert.“ Im Film ist die Szenerie weniger idyllisch, da birgt sie ein grässlich vermodertes Geheimnis.

Welchen Horrorfilm hat Ulrich selbst als Erstes angeschaut? Natürlich den Klassiker „Nightmare on Elm Street“ mit Serienmörder Freddy Krueger. An dieser Teenie-Slasher genannten Unterschublade des Horrorgenres konnte sie dann gleich schön erkennen, dass sie psychologischen Horror lieber mag als reinen Splatter. Mit Letzterem übertreibt es auch „Zimmer 205“ nicht, dafür ist Schneewittchens Gegenspielerin überflüssigerweise eine fiese blonde Hexe wie aus dem weiblichen Stereotypen-Bestellkatalog. Dazu zuckt Ulrich nur die Schultern. „Politisch korrekt zu sein funktioniert für mich im Horrorfilm nicht.“ Da wolle jeder nur, dass das Gute siegt.

Das Mobbing-Ding unter Facebook-vernetzten Studenten, das der Film thematisiert, ist ihr selbst nicht ganz fremd. „Als ich mit 16 anfing zu schauspielern, habe ich an der Schule auch Ausgrenzungsverhalten kennengelernt.“ Von Alltagsthemen wie diesen hat sie sich die in einem Jugendclub für die Schauspielerei entdeckte Autodidaktin auch nach zehn Jahren im Geschäft nicht entfernt. Vom Alltag auch nicht. Sie arbeitet nach wie vor nebenbei – im Café einer Freundin in Kreuzberg und einem Beachvolleyballclub in Schöneberg. Warum? „Weil es mir die finanzielle Freiheit gibt, Rollen aussuchen zu können, und weil es mich erdet.“ Außerdem habe sie keine Lust, zu Hause zu sitzen und aufs nächste Projekt zu warten. Muss ein kerniges Schneewittchen wie sie auch nicht. Im April dreht sie jetzt in Marokko.

„Zimmer 205“ läuft ab Donnerstag in den Kinos.

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