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Berlin: Schneller wachsen

Mehr Multimedia geht kaum: Frank Alexander Zahn hat seine Firma Exozet zum Rundum-Dienstleister ausgebaut

Internet-Fernsehen ist das nächste große Ding, sagt Frank Alexander Zahn. Und seine Firma ist ganz vorne mit dabei. Weil sie eine Technik liefert, mit der Internet-Nutzer nicht nur selbst entscheiden, wann sie welches Programm sehen, sondern auch die Handlung der Filme beeinflussen können. TV Next heißt das System. Und Exozet heißt sein Unternehmen. Vor zehn Jahren hat er es gegründet. Aus drei Mitarbeitern sind inzwischen 80 geworden, aus 30 000 Mark Jahresumsatz mehr als drei Millionen Euro.

Die Firma verkörpert den Multimedia- Gedanken in Reinform: Zahns Mitarbeiter programmieren Videospiele für Computer und für Handys, sie bauen Homepages und bearbeiten Spielfilme am PC, bevor die im Kino gezeigt werden. Die Komödie „Sommer vorm Balkon“ zum Beispiel. Da sollte eine Schauspielerin eine tote Frau spielen, doch beim Dreh hat sie geblinzelt und zu stark geatmet. Zahns Mitarbeiter haben am PC dafür gesorgt, dass die Frau wirklich tot aussieht. Auch in „Second Life“, der schnell wachsenden Online-Welt, ist Exozet vertreten. Exozet berät andere Firmen dabei, sich in „Second Life“ eine eigene Präsenz zu schaffen. Und jetzt also noch TV Next, das Internet-Fernsehen. Exozet stellt die Technik zur Verfügung, erste Unternehmen nutzen sie bereits, um im Internet zu senden.

Das Büro liegt am Osthafen in Friedrichshain, in einem Neubau in der Rotherstraße, fünfte Etage. Zwei Minuten von der Bahnstation Warschauer Straße entfernt, zwei Minuten vom Spreeufer. Ein Büro für Kreative stellt man sich anders vor: Die Schreibtische sind aufgeräumt, die Wände weiß, nirgendwo liegen leere Pizzakartons oder wenigstens Cola-Dosen rum. Stünde nicht das mannshohe rote Plastikmonster im Flur, man könnte denken, hier arbeiteten Banker. Frank Alexander Zahn trägt Sakko zu blauer Jeans und weißen Turnschuhen. Seine Angestellten sprechen ihn mit „Frank“ an, er duzt zurück, wie unter Kumpels. Zahn ist erst 34, was soll er da künstlich auf autoritär machen. Respekt hat man schon deshalb vor ihm, weil Zahn blitzschnell formulieren kann. Und die Dinge auf den Punkt bringt. Die Multimedia- Branche wächst in Berlin schneller als in anderen deutschen Städten, sagt er. Zahn selbst ist Berliner – wenn nicht, wäre er wohl hierhergezogen. Die niedrigen Mieten sind ein Standortfaktor. Was noch wichtiger ist: Nirgendwo kommt man so leicht an junges, hoch qualifiziertes Personal. Einmal, weil Berlin Hochschulen wie die Games Academy hat, die einzige deutsche Spezialschule für Computer- und Videoproduktion. Vor allem aber kann sich Zahn seine Arbeitskräfte aus dem gesamten Bundesgebiet aussuchen. Weil alle jungen Kreativen nach Berlin wollen, sagt er. „Egal, ob sie in Freiburg oder in Flensburg studiert haben.“ Die Gründe seien nachvollziehbar: die Kultur, die vielen Szenen, das schöne Leben für wenig Geld. Seine Mitarbeiter wohnen in Friedrichshain, Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Mitte. Die haben es nie weiter als eine halbe Stunde zur Arbeit. „Säße ich in Steglitz, fänden das meine Mitarbeiter nicht so witzig.“

Er gehöre einer besonderen Generation an, sagt Zahn. Derjenigen, die in den Achtzigern jung war und als erste entdeckte, dass man mit Computern kreativ sein kann. Amiga und Atari hießen die ersten Modelle, mit denen man Bilder bearbeiten und aneinanderreihen konnte – der Beginn der Computeranimation. Erst studierte Zahn Betriebswirtschaft, aber er merkte, dass ihm die Arbeit vor dem Bildschirm mehr Spaß macht. Nach dem sechsten Semester brach er das Studium ab und gründete Exozet. Als Startkapital hatte Zahn 30 000 Mark, geerbt von der Großmutter.

Dass Zahn Quereinsteiger ist, merkt man, sagen seine Mitarbeiter. Zum Beispiel daran, dass er gerne auch anderen Fachfremden eine Chance gibt. Einen Elektromechaniker machte er zum Grafikdirektor, einen Theaterwissenschaftler zum Online-Redakteur. Der Firmenname ist keine Abkürzung, kein Wortspiel – er steht für gar nichts. Darauf hat Zahn bei der Namensgebung Wert gelegt: Dass seine Firma nicht durch den Namen auf ein Betätigungsfeld festgelegt – oder besser: beschränkt – wird.

In der Multimedia-Branche ergibt sich viel über Netzwerke. Über offizielle wie Tagungen oder über informelle Treffen auf Partys, in Restaurants, in der Strandbar. Exozet etwa arbeitet eng mit MTV zusammen, der Musiksender sitzt gleich nebenan am Spreeufer. Der Kontakt ergab sich beim Italiener um die Ecke.

Die meisten Mitarbeiter bei Exozet sind Männer. Zu Hause versucht Zahn seit Jahren vergeblich, seine Freundin für Computerspiele zu begeistern. Deren Eltern hat er schon überzeugt. Sie selbst hat anderes im Kopf, promoviert in Geschichte. Und will nicht einsehen, dass Computer Spaß machen können. Die Branche wird weiter wachsen, sagt Frank Alexander Zahn. Und jede Menge Arbeitsplätze schaffen. Exozet mache das auf jeden Fall. Zahn will bis Jahresende noch 20 neue Mitarbeiter einstellen.

Die Serie finden sie im Internet unter www.tagesspiegel.de/chancen.

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