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Berlin: Schönheitskur im hohen Alter: In Wannsee ist der Löwe los

140 Jahre altes Denkmal vor Heckeshorn wird für 80 000 Euro saniert Aussichtsplattform erhält Schinkel-Leuchten. Stiftung beteiligt sich an Kosten

Die Augen blicken stolz, fast arrogant. Aber der Körper ist lädiert. Hat Risse in den Schenkeln und am Hals. Die Mähne ist löchrig, der Schwanz so porös wie die traurigen Tatzen. An Ort und Stelle würde er wohl nicht mehr lange machen – ein Fall für die Kur.

Kranführer Otte Frank hat am Dienstag den Löwen ganz behutsam vom Sockel am Großen Wannsee geholt. Zuvor war um das Tier, 1865 aus Zink gegossen, ein Gerüst gebaut worden. Ein Käfig, der den Transport erleichtert. Denn der Flensburger Löwe, so sein richtiger Name, muss stationär behandelt werden. Deshalb rollt ein Tieflader an, der ihn nach Adlershof bringt, in die Werkstatt des Metallrestaurators Bernd Helmich. Er will den Löwen bis Mitte Juni reparieren. In seinem Körper wird ein Stützkorsett montiert, denn der Löwe ist hohl, seine Zinkhaut sehr dünn, er braucht ein stabiles Innenleben. Direkt am Ort, auf dem Aussichtsplateau, wird währenddessen der bröckelnde und beschmierte Sockel des Löwen saniert.

Das alles passiert unter den wachsamen Augen von Gesine Sturm und Detlev Pietzsch vom Landesdenkmalamt. Beide sind sichtlich erleichtert, als der labile Löwe sicher vom Sockel gehoben und nicht zu Bruch gegangen ist. Aufatmen auch beim ehemaligen Polizeipräsidenten Georg Schertz und Gerhard Simke, einst leitender Regierungsdirektor bei der Polizei. Beide gehören zum Vorstand der v.-Hinkeldey-Stiftung Berlin, die etwa die Hälfte der rund 80 000 Euro teuren Sanierung bezahlt. Der Löwe, sagen sie, sei ein fast vergessenes Kleinod gewesen. Und sie regten an, mit dem Tier auch den meist matschigen Vorplatz aufzuwerten. Bis September soll er einen neuen, festeren Sandbelag bekommen, auch acht historische Schinkel-Leuchten. Der Bezirk beteiligt sich mit 10 000 Euro.

Seit 1938 steht der Löwe hier am Großen Wannsee vor Heckeshorn. Vor 40 Jahren, erinnert sich Wirt Hans-Joachim Haase vom Lokal „Seehaase“, sei das Tier mal kurz zur Reparatur heruntergeholt worden. Bei den bisherigen Arbeiten, so das Urteil der heutigen Denkmalpfleger, habe man kräftig gepfuscht, weshalb jetzt die Hilfe dringender denn je gewesen sei.

Der fast vier Meter hohe Löwe ist, was ihm trotz der Blessuren nicht anzusehen ist, eine Kopie. Das Original, aus richtiger Bronze von Hermann von Blissen gefertigt, steht in Kopenhagen, erinnert an den Sieg Dänemarks über Schleswig-Holstein 1850 bei Idstedt. Im einst dänischen Flensburg wurde er als „Idstedter Löwe“ aufgestellt. Als Dänemark 14 Jahre später von Preußen geschlagen wurde, wanderte er als Trophäe zunächst ins Zeughaus, dann in die Kadettenanstalt in Lichterfelde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er den Dänen zurückgegeben. Das war für Berlin nicht weiter schlimm, denn Wilhelm Conrad, erster Villensiedler am Wannsee und Fan des preußischen Dänemark-Feldzugs, hatte schon längst eine Kopie anfertigen lassen. Sie stand zunächst nicht weit von der jetztigen Stelle entfernt in einer Parkanlage. Als dort gebaut wurde, zog der Löwe an seinen endgültigen Platz um.

Der Seehaasen-Wirt überlegt schon, ahnungslosen Spaziergängern den Schock eines leeren Sockels zu ersparen: Möglicherweise wird für kurze Zeit ein Osterhase aufgestellt. Wenn das der alte Conrad wüsste…

Christian van Lessen

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