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Nur echt mit Krone. Liza Grundig und Enis Özbayam, beide aus Berlin, sind nun Miss und Mister Ostdeutschland 2013. Foto: Schuh/dpa

© dpa

Schönheitswettbewerb: Krönchen zum Mitnehmen

Grinsekrampf oder Wangenzittern: In einem Hotel in Tiergarten wurden Miss und Mister Ostdeutschland 2013 gewählt. Die Sieger 2013 kommen aus Berlin.

„Herr Pfeiffer“, beginnt der Moderator, „Sie haben ja sehr viele Umkleidekabinen in Ihrem Modeladen – erzählen Sie doch mal.“ Das ist der Beginn einer Veranstaltung, die – wäre sie eine Fernsehsendung – kaum ohne den zugleich ausgestrahlten Hinweis „Dauerwerbesendung“ auskäme. Aber das hier ist kein Fernsehen, und so strahlen vorläufig nur die Zähne des Moderators, und Herr Pfeiffer fängt an zu erzählen, was man in solchen Fällen halt so erzählt: Etwa 20 Umkleidekabinen dürften es schon sein, die es bei ihm im Laden gibt, und dann ist das „Interview“ auch schon vorbei. Herr Pfeiffer nimmt wieder Platz.

Sonntagabend im Moa-Hotel in der Tiergartener Stephanstraße: Die „Miss Germany Corporation“ lädt zur Wahl der „Miss und Mister Ostdeutschland“. Vielleicht zu einem guten Drittel ist das Foyer des Hotels gefüllt, geboten werden ein dezent überdrehter Moderator und 28 junge Damen und Herren, die gerne irgendwann Miss beziehungsweise Mister Germany werden wollen.

Während sich im Backstage-Bereich der süßliche Duft von Limonade ausbreitet, palettenweise abgeworfen von den fleißigen Helfern des Sponsors, deutet sich auf der Bühne Sensationelles an: Schon vier Menschenleben habe Kandidat Enis Özbayam gerettet, berichtet der Moderator, und das, obwohl er doch erst 23 Jahre alt sei, ein Frühstarter im Lebensrettungsgeschäft quasi. Und nun erzählt der junge Berliner eine wilde Geschichte, bei der verschluckte Zungen und zwischen die Kiefer gerammte Mobiltelefone eine tragende Rolle spielen, und das ist so meilenweit über der Ödnis der anderen Interviews angesiedelt, dass Mister Ostdeutschland eigentlich schon rund 15 Minuten nach Beginn feststeht.

Aber natürlich geht es trotzdem weiter, schließlich hat sich ein gutes Dutzend Juroren nicht ohne Grund an der Bühne platziert, darunter auch die Schauspielerin und zweitplatzierte Dschungelkönigin Katy Karrenbauer – „Ich bin ein Riesenfan von Dir, kenne alle Deine Serien“, schwärmt der Moderator – sowie Box-Weltmeister Arthur Abraham.

Und eben jener Boxchamp ist es auch, der sich in einer Veranstaltungspause im Backstage-Bereich verläuft, eben dorthin, wo ein Kandidat soeben besorgt „Meine Wangen zittern“ gerufen hat, woraufhin ein anderer Kandidat routiniert einen „Grinsekrampf“ diagnostiziert. „Hallo Jungs“, sagt nun der Boxer, will wissen, wo denn die Toiletten seien, aber hier gibt es keine, und so laden die Kandidaten den starken Mann ein, doch einfach das Badezimmer ihres zur Garderobe umfunktionierten Hotelzimmers zu benutzen. Ob er noch schnell ein Foto machen dürfe, erkundigt sich ein Fotograf, aber dafür hat Abraham jetzt wirklich keine Zeit, und so konzentriert sich das Interesse des Fotografen auf die junge Dame, die soeben einem Fernsehteam davon berichtet, dass sie ihre Brüste besonders gern habe, die beginnende Cellulite jedoch nicht. Eine andere klagt über ihren „fetten Arsch“, das ist der sicherste Weg zu beschwichtigenden Komplimenten, und so lässt sie sich rasch vom Gegenteil überzeugen.

Die Parade der kleinen Katastrophen schreitet voran: Der einen zwickt der Bund, die andere tritt auf den Saum ihres Kleides, stolpert und befürchtet ein Karriereende, eine Dritte beklagt pieksende Nadeln in den Untiefen ihres Kleides, im übrigen gesponsert von Herrn Pfeiffer, dem Herrscher über 20 Umkleidekabinen. Nach einer Tanzchoreografie, einem Auftritt in Abendgarderobe und der Präsentation von Bademode ist dann irgendwann Schluss, die Jury tagt, die Spannung steigt. „Eine Frau muss minimum 1,70 Meter groß sein und darf nicht so dicke Beine haben“, legt Boxer Abraham seine Kriterien offen, Schauspielerin Karrenbauer stellt fest, dass hier nicht jede Kandidatin für eine Karriere als Miss Germany geeignet ist. Kurz vor der Krönung rapportiert der Moderator noch kurz die Namen aller Sponsoren, dann folgt die Nationalhymmne. Natürlich gewinnt Enis Özbayam, Miss Ostdeutschland wird die 23-jährige Liza Grundig aus Berlin, ehemals Miss Alexanderplatz, jetzt mit Krönchen im Haar. Sie fliegt nun für drei Wochen nach Fuerteventura, Kniggekurs, Schminktipps und allgemeine Vorbereitung auf die alles entscheidende Wahl zur „Miss Germany“. Auf dem Weg dahin gilt es noch, eine „Miss Condor“ zu wählen, erklärt der Moderator, ein letzter verbaler Knicks vor den Sponsoren, bevor sich alle „für ein tolles Schlussbild“ auf der Bühne zu versammeln haben. Der Rest ist Begeisterung, umso größer, als die letzte gute Nachricht des Tages durchsickert: Die Plastikkrönchen in den Haaren dürfen die Siegerinnen – anders als bei sonstigen Wahlen – sogar behalten, die Klamotten von  Herrn Pfeiffer aber nicht.

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