zum Hauptinhalt

Schoko-Manufaktur: Beste Bohne

Kakao ist nicht gleich Kakao. Madagaskar schmeckt anders als Bali, das gilt auch für die Schokolade daraus. Romy Andrichs Manufaktur fertigt mit Rohstoffen aus eigenen Produktionsstätten kleine Delikatessen.

Von Susanne Leimstoll

Zellophanverpackte Weihnachtsmänner mit Goldschimmer, Nussknacker-Kerle in Lolligröße. Sterne, Herzen, Tannen, weihnachtlich gemustert – und alles ruft: Lass mich im Mund zergehen! Wo so was produziert wird, muss es aussehen wie in Willi Wonkas Schokoladenfabrik aus Johnny Depps irrem Hollywoodstreifen. Ein Haus voller sprudelnder Schokobrunnen, Bergen von Schokobohnen und mittendrin die rotbackige Chefin, rund wie eine Trüffelpraline.

Alles anders. Im hinteren Raum der kühl weiß gekachelten Flucht in der Reinickendorfer Klinkerfabrik blubbert eine Temperiermaschine, vermengt die Kugelmühle Aromen und Schokolade, formt Konditormeister Steffen Irsig in weißer Montur allein Zuckerverzierungen. Nebenan verpacken vier Mitarbeiterinnen am Tisch jede kleine Tafel, jedes Figürchen weiß behandschuht in Schachteln, Tütchen, Gläschen. Und Romy Andrich, die Chefin, steht zierlich, mit zum Knoten gefassten Haar, grauem Blazer und feinem Lächeln dazwischen. Während noch der Duft von Blutorangenöl für die 70-prozentige Bitterschokolade mit Pfeffer durch den Raum schwebt, klackert sie auf Pumps einige Zimmer weiter in ihr Reich: das Büro der Manufaktur Deli Cacao. Die festtäglichen Geschmacksrichtungen sind längst verkostet, das Weihnachtsgeschäft läuft.

Die Schokoladenproduktion kam ziemlich unvermittelt über Romy Andrich, 47. Die Firma ihres Mannes stellt Produktionsmaschinen für die Süßwarenindustrie her. Die gelernte Zahntechnikerin half 20 Jahre im Betrieb mit: Buchhaltung, Ersatzteile zu Kunden transportieren. Als ihr Mann entschied, die Konkursmasse von Chocolatier In’t Velds erstem Unternehmen zu übernehmen, war Romy Andrichs neue Aufgabe sozusagen schon in Sack und Tüten. „Du kochst und backst doch so toll“, sagte ihr Mann. „Mach mal.“ Das Projekt wurde zur ungeahnten Herausforderung: Ihr Mann erkrankte schwer, sie musste allein ran. Seit drei Jahren ist die Schoko-Manufaktur nun ihr Baby – und das gedeiht. 500 bis 600 Kilo Schokolade verkauft das Kleinunternehmen in starken Zeiten monatlich. Mit einem Zehntel hat es begonnen. Das Team ist noch immer nur zu viert plus saisonaler Hilfskräfte, alle arbeiten auf mehreren Jobs. Romy Andrich übernimmt Akquise, Kundenbesuche, hilft bei Fertigung und Verpackung, legt Neukreationen fest, vermarktet sie, verkauft am Stand, derzeit etwa auf dem Weihnachtsmarkt der Domäne Dahlem. Deutschlandweit und in der Schweiz werden Delikatessenläden und Fachgeschäfte beliefert.

Andrichs Firma arbeitet nur mit eigener sortenreiner Schokolade, die sie aus selbst aufgebauten kleinen Fabriken aus den Ursprungsländern bezieht. Die Kakaobohne wird vor Ort gleich nach der Ernte verarbeitet; die Bauern wissen, wofür sie anpflanzen und was aus dem Rohstoff wird – ganz anders als im Großhandel. Keine Chance also für Spekulanten. Deli-Cacao-Produzenten sitzen an der Elfenbeinküste, in Ghana, Madagaskar und  Sierra Leone. Frisch im Sortiment ist die Bohne aus Bali. „Meine neue Herausforderung“, sagt Romy Andrich aus Köpenick.

Geschmack ist entscheidend, schon bei der Kakaobohne. Die aus Madagaskar ist wie Roter aus Rioja, erdig und schwer, Bali aber intensiv und leichter. Fettgehalt, Fermentierung, Röstung spielen eine Rolle. Der Kakaoanteil in der Schokolade ist hoch: 70 Prozent, 53 Prozent in Vollmilch. Welches Gewürz wozu passt, findet Andrich in Testrunden heraus. „Die Feinheit des Kakaos muss immer rausschmecken“, sagt sie. Auch bei den Ziegenmilch-Tafeln. Die Formate sind klein. „Dieses Produkt ist so exquisit, da reicht ein Stückchen zum Genuss.“ So kam sie auf die Idee, Drops, die sie anfangs am Stand in Schälchen zum Probieren anbot, im verschließbaren Glas zu verkaufen. Klein, aber fein, irgendwie wie Romy Andrich.

Jetzt, im Advent, verwöhnt sie die Familie gern mal mit selbst gebackenem Dresdener Butterstollen, handgerollten Marzipankugeln. Wenn draußen der Winterwind pfeift, kocht sie Trinkschokolade. Hundertprozentige. Die hat sie – rein zufällig – immer im Haus.

www. delicacao-berlin.com

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false