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Berlin: Schrippenrecycling

Bäcker Wiedemann tauscht alte gegen neue Brötchen

In der modernen Wirtschaft soll der Konsument Dinge kaufen, die er schon hat. Deshalb gibt es diese trügerischen Angebote: Alt gegen Neu. Bei Brötchen wähnte sich der konsumträge, eher traditionsverhaftete Konsument bislang auf der sicheren Seite. Einfach kaufen und dann aufessen. Oder an die Vögel verfüttern. Aber so einfach ist das nicht mehr.

Bäcker Wiedemann hat eine „Schrippentausch“-Kampagne gestartet: Alte Brötchen gegen neue. Ohne Aufpreis. „Wir alle wissen, dass eine Schrippe vom Vortag nicht mehr schmeckt, und ich möchte nicht, dass unsere Kunden alte Schrippen essen müssen“, erklärt Klaus Wiedemann per Anzeige der erstaunten Öffentlichkeit. Das zeugt von Edelmut, soll aber vor allem den Schrippenverkauf ankurbeln.

Der Kunde reagiert bislang verhalten auf das Angebot. Bei Wiedemann an der Friedrichstraße kaufen vornehmlich Touristen und Geschäftsleute. Die haben selten alte Brötchen vom Vortag zur Hand. Auch bei Wiedemann an der Reichsstraße in Charlottenburg tendiert die Resonanz gegen null. „Hat noch nicht einer nach gefragt“, sagt die Verkäuferin. „Das liegt vielleicht an der älteren Kundschaft. Die kaufen nur so viel, wie sie essen.“

Wiedemann spricht von einer „Umtauschquote von zwei Prozent.“ Wichtiger ist die enthemmende Wirkung beim Schrippenkauf. „Die Leute nehmen eher mal ein paar Brötchen mehr.“

Entstanden ist die Idee bei einem Frühstück mit Wiedemanns vier Patenkindern. Sieben Schrippen blieben übrig und der Bäcker fragte sich spontan: Was machen die Leute eigentlich damit? Eine Umfrage erbrachte folgendes Resultat: Zehn Prozent werfen alte Schrippen weg, zehn Prozent verfüttern sie an Tiere, zehn Prozent zerschmirgeln sie zu Paniermehl und – 70 Prozent essen sie auf. Wobei doch jedem klar sein müsste, dass die „feinsplittrige Rösche“ der Schrippe schon einen Tag später zu einer „keksiken Kruste“ verkommen ist, meint Wiedemann. Übrigens tauscht Wiedemann nur seine eigenen Schrippen um. So weit reicht die edle Gesinnung halt doch nicht. loy

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