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Schrottimmobilien. Etwa 4000 davon wurden in Berlin im vergangenen Jahr Käufern angedreht – unsaniert oder erheblich überteuert.

© Caro / Muhs

Schrottimmobilien: Notare sollen aufmerksamer sein

In der Debatte um Schrottimmobilien fordert Landgerichtspräsident Bernd Pickel eine bessere Dokumentation der Kaufverträge. Die Notarkammer will nächste Woche ihre Richtlinien überarbeiten.

Von Sabine Beikler

Als Andrea Werner von den Geschäften mit Schrottimmobilien las, erinnerte sie sich an ihren „dummen Fehler“, erzählt sie. Die 57-jährige Lehrerin, die nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden möchte, hatte 2005 eine überteuerte Immobilie gekauft. Sie legte bei der Notarkammer Beschwerde gegen den Notar ein, der das Kaufangebot beglaubigt hatte. Ein halbes Jahr später erhielt sie ein Antwortschreiben. „Der Notar ist nicht der Vormund der Urkundsbeteiligten“, las sie. Sie hätte sich vor dem Kauf einer Immobilie eben gründlich informieren müssen. „Eine sehr zynische Formulierung“, findet sie. Unterzeichner des Schreibens war Notar Frank Leithold, damals Vorsitzender der Beschwerdeabteilung der Notarkammer. Derzeit lässt er seine Ämter in der Kammer ruhen. Gegen Leithold prüft das Landgericht als Aufsichtsbehörde Beschwerden wegen Ungereimtheiten bei Beurkundungen.

Wie andere Verbraucher erhielt auch Andrea Werner einen „cold call“, ein Anruf, bei dem für Steuersparmodelle geworben wird. Nach einem weiteren Anruf vereinbarte sie einen Beratertermin mit einem Mitarbeiter einer Berliner Maklerfirma. Sie sagte dem Berater, dass sie „auf keinen Fall“ etwas kaufen werde, da sie keine Schulden haben wolle. Kurze Zeit später rief ein anderer Mitarbeiter der Firma an und sagte ihr, dass sein Kollege „noch Azubi“ sei. Man wolle ein auf sie zugeschnittenes Konzept offerieren. Bei einem weiteren Termin versicherte der Makler, dass sie keinerlei Schulden hätte, der monatliche Betrag „geringfügig“ wäre und sie erhebliche Steuererleichterungen erhalte. Kurze Zeit später kam es zu einem weiteren Termin. „Man sagte mir, dass zur Reservierung der Wohnung und als Voraussetzung der Verhandlung mit der Bank noch eine notariell beglaubigte Unterschrift fällig wäre“, erzählt die Lehrerin.

Für eine Zweizimmer-Wohnung unter 50 Quadratmeter in Treptow sollte sie 92 000 Euro zahlen. Noch am selben Abend wurde sie um 21.30 Uhr zu Notar Kai Boris Frank chauffiert. „Er las mir den Text vor. Dabei war die Rede davon, dass ich den bereits 14 Tage zuvor bekommen hätte. Ich erklärte, dass ich ihn an diesem Tag das erste Mal zu Gesicht bekommen hätte. Der Notar meinte, dass diese Passage geändert werden müsse, wenn ich den Vertrag unterschreiben wolle.“ Den geänderten Vertrag habe sie „dummerweise“ unterschrieben. Zwei Tage später rechnete ihr Steuerberater ihr vor, dass sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen unterschrieben habe. Andrea Werner nahm sich einen Anwalt, der eine Rückabwicklung des Vertrags erwirkte. Die Notarkammer erklärte Frau Werner jedoch, dass „ein standeswidriges Verhalten des Notars (...) nicht zu sehen“ sei. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Verbrauchern Kaufverträge zwei Wochen vor Unterzeichnung vorliegen müssen.

Auf ihrer Kammerversammlung am 21. März will die Notarkammer ihre Richtlinien ändern. Bernd Pickel, Präsident des Landgerichts, fordert, dass „die Notare bei der Beurkundung von Immobiliengeschäften mit Verbrauchern noch hellhöriger sind als früher. Ich wünsche mir, dass seitens der Notare die Prüfung, ob die verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften des Beurkundungsrechts eingehalten sind, oder ob es gute und rechtlich tragfähige Gründe gibt, von ihnen ausnahmsweise abzuweichen, intensiviert wird“, sagte Pickel dem Tagesspiegel. Er will durchsetzen, dass diese Prüfung „stärker in der Akte dokumentiert wird“. In der Beschlussvorlage für die überarbeiteten Richtlinien der Notarkammer wird nur konkretisiert, dass eine systematische Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme „in der Regel“ unzulässig, aber „aus sachlichen Gründen“ gerechtfertigt sei. Welche das sind, bleibt offen.

Thomas Diehn von der Bundesnotarkammer sagt, dass man die Aufspaltung generell als unzulässig definieren könne und sie nur bei „begründeten Ausnahmen“ zuzulassen wäre. Die Bundesnotarkammer warnt seit Jahren vor dieser Aufspaltung. Der Käufer erkennt häufig nicht, dass er sich mit einem Angebot schon zum Kauf verpflichtet. Der Verkäufer muss das Angebot nur noch mit der „Annahme“ beurkunden, dann ist das Geschäft gültig. Das ist gängige Praxis, wenn Vertriebsgesellschaften überteuerte Immobilien verkaufen wollen. Berlinweit zählt die Branche 15 bis 20 der 900 Notare zu jenen, die solche Geschäfte beurkunden.

Frau Werner hatte Glück. Die Maklerfirma ist inzwischen liquidiert. Und Notar Frank hat eine neue Adresse. Er arbeitet heute in der Kanzlei Wollmann & Partner, in der auch Notar Leithold tätig ist.

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