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Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (l, SPD) und der Berliner Parlamentspräsident Ralf Wieland halten Münzen in der Hand.

© dpa

Schulden in Berlin: Haushalt könnte wieder ins Minus rutschen

Berlins Haushalt schreibt schwarze Zahlen. Und das im vierten Jahr. Aber für die Zukunft gibt es keine Garantie. Und die hohen Schulden sind eine drückende Last.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es wird noch einmal eng, wenn sich Bund und Länder im Poker um den Finanzausgleich nicht rechtzeitig einigen. Dann könnte der Berliner Haushalt 2020 wieder ins Minus rutschen, das erste Mal seit neun Jahren. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen sagt für diesen Fall ein Defizit von 350 Millionen Euro voraus. Damit Berlin bei einem solchen worst case keine neuen Schulden machen muss, müssen die öffentlichen Unternehmen wohl einmalige Sonderausschüttungen leisten, die in den Landeshaushalt fließen.

Aber das soll, wenn es überhaupt nötig wird, eine Ausnahme bleiben. Als es Berlin so richtig schlecht ging, ab Mitte der neunziger Jahre, war es noch üblich, dass der Senat das Landesvermögen anzapfte, um finanziell über die Runden zu kommen.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern bescheinigte Berlin im Juni, dass sich „die Haushaltssituation entscheidend verbessert hat“. Wenn der Konsolidierungskurs fortgesetzt werde, könne das Land die Schuldenbremse ab 2020 aus eigener Kraft einhalten.

Niemand nimmt Berlin seine Schulden ab

Trotzdem bleibt ein drückendes Problem, das Berlin auf lange Sicht selber lösen muss. Das sind die hohen Schulden, knapp 60 Milliarden Euro. Pro Einwohner sind es rund 17.500 Euro. Nur wegen der historisch niedrigen Zinsen, die auch jeden Häuslebauer erfreuen, ist diese gewaltige finanzielle Last zu stemmen.

Die Finanzverwaltung bemüht sich deshalb nach Kräften, ehemals teure Darlehen langfristig und preiswert umzuschulden. Mit Erfolg. Die letzte große Wertpapieranleihe, in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, wurde das Referat „Kreditmanagement“ zum günstigen Zinssatz von 1,6 Prozent los. Die Referatsleiterin Susanne Reichenbach macht dort seit 23 Jahren mit ihrer kleinen, aber schlagkräftigen Crew einen richtig guten Job. Das geht auch nicht anders, weil niemand bereit ist, Berlin seine Schulden abzunehmen.

Plus von etwa 400 Millionen Euro jährlich

Nur Bremen und das Saarland sind, pro Kopf der Bevölkerung, höher verschuldet als die Hauptstadt. 2006 scheiterte der Senat krachend mit einer Klage auf Anerkennung des Haushaltsnotstands vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Hoffnungen, dass Bund und Länder dem Land Berlin einen Teil der Altschulden abnehmen könnten, wurden nicht erfüllt. Auch mit der Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab 2020, die Verhandlungen laufen noch, wird es keinen Schuldenschnitt zugunsten Berlins geben.

Also muss die Stadt weiter auf niedrige Zinsen, ein kräftiges Wirtschaftswachstum und noch mehr Geld als bisher aus dem Länderfinanzausgleich setzen. Ein Plus von etwa 400 Millionen Euro jährlich wäre beim aktuellen Stand der Gespräche möglich. Und jeder Senat bleibt in der Pflicht, mit den Steuergeldern sparsam umzugehen.

Denn ansonsten könnten es sich auch die Ratingagenturen anders überlegen, die Berlin bisher eine hohe Bonität bescheinigen. Fitch mit der Höchstnote AAA, Moody’s zwei Stufen niedriger mit Aa1. Die gute Absicherung durch das föderale Finanzsystem spielt dabei eine maßgebliche Rolle, aber auch die Haushaltsüberschüsse seit 2012 und eine solide Sparpolitik.

Schuldenlast muss tragfähig sein

Auch deshalb darf sich Finanzsenator Kollatz-Ahnen, wie schon seine Vorgänger Ulrich Nußbaum und Thilo Sarrazin, über jedes Haushaltsjahr freuen, in dem schwarze Zahlen geschrieben werden. Denn das finanzielle Gleichgewicht Berlins wird gezwungenermaßen labil bleiben, solange die Stadt extrem hoch verschuldet bleibt.

Die ansonsten eher zerstrittene Gemeinde der Wirtschafts- und Finanzexperten ist sich zwar einig, dass staatliche Verschuldung nicht per se verwerflich ist. Im Gegenteil. Aber die Schuldenlast muss dauerhaft tragfähig sein. Seit den endlosen „Grexit“-Debatten weiß das jeder interessierte Europäer.

Ein entscheidender Indikator ist: Welchen Anteil haben die öffentlichen Schulden am Bruttoinlandsprodukt, also an der wirtschaftlichen Wertschöpfung? Im bettelarmen Bremen liegt die Quote bei fast 75 Prozent, im reichen Hamburg bei 25 Prozent. In Berlin rutscht die Quote in Richtung 50 Prozent, das ist ein guter Trend.

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