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Berlin: Schuldfrage am Busunglück von 1992 wird erst jetzt verhandelt

Als sich der Bus der vorletzten Haarnadelkurve des Nufenen-Passes näherte, sah die Fahrerin als Erste das Unglück auf die Berliner Reisegruppe zukommen. "Ich zog die Motorbremse, Fußbremse, Retarderbremse - ich dachte, das muss doch gehen, aber es ging nichts!

Als sich der Bus der vorletzten Haarnadelkurve des Nufenen-Passes näherte, sah die Fahrerin als Erste das Unglück auf die Berliner Reisegruppe zukommen. "Ich zog die Motorbremse, Fußbremse, Retarderbremse - ich dachte, das muss doch gehen, aber es ging nichts!" beteuert die 57-Jährige im Berliner Landgericht. Wenige Sekunden später wurde aus dem schrecklichen Gedanken Gewissheit. Ihr Bus durchbrach die Leitplanke und stürzte einen 30 Meter langen Hang hinab. Bei dem Unfall in den Tessiner Bergen starben acht Menschen, 23 wurden verletzt.

Sieben Jahre nach dem schweren Busunglück in der Schweiz steht nun die Fahrerin als Angeklagte vor Gericht. Der Staatsanwalt wirft der Kreuzbergerin vor, mit erhöhter Geschwindigkeit die Kurve genommen und so leichtfertig den Tod ihrer Fahrgäste verursacht zu haben. Die Ermittlungen - umfangreiche Gutachten waren anzufertigen - zogen sich über Jahre hin, 1995 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Ungeklärt ist, weshalb das Verfahren dann weitere vier Jahre bei der Berliner Kammer lag.

Sanitäter bargen am 24. Juli 1992 mit 13 Hubschraubern die Toten und Verletzten - unter den Trümmern zogen sie auch die damals 50-jährige Busfahrerin hervor. Die schwerverletzte Jutta von K. konnte erst Monate später das Krankenhaus verlassen; sie ist auch heute noch berufsunfähig. Die Tour durch die Schweizer Alpen hatte die Fahrerin des Berliner Tourveranstalters "Holiday Reisen" schon oft unternommen. Auch Übermüdung schied früh als Unfallursache aus: Die Gruppe hatte nur eine Ausflugsfahrt über den Pass hinter sich. Jutta von K. beteuert, vor der verheerenden Haarnadelkurve keinerlei Bremsprobleme bemerkt zu haben. "Dann hätte ich den Bus doch sofort stehen lassen."

Nach Auffassung des Gutachters müssen die "Retarder" - eine Art Zusatzbremse, die mit der Hand bedient wird - allerdings schon seit vielen Kilometern fehlerhaft gearbeitet haben. Der Experte nimmt an, dass die Frau bei der Abfahrt deshalb zu häufig die Fußbremse betätigt habe. "Am Ende waren die Bremsen dann wahrscheinlich so heiß, dass die Bremswirkung erheblich reduziert war." Um heil unten anzukommen, hätte man vorher einen Gang herunterschalten müssen, was die Angeklagte offenbar nicht getan habe.

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